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Ortshandwerker | 100 Jahre Ortshandwerkerschaft"Führerprinzip und Gefolgschaft" im Handwerk
Die von den Nationalsozialisten vollzogenen Eingriffe in alle Gebiete des öffentlichen Lebens zur Umgestaltung Deutschlands schlossen auch die Organisationen des Handwerks mit ein. Mit dem "Gesetz über den vorläufigen Aufbau des deutschen Handwerks vom 29.11.1933" und nachfolgenden Gesetzen wurde der Neuaufbau der Handwerkerorganisationen auf der Grundlage allgemeiner Pflichtinnungen und des Führerprinzips festgeschrieben. Den Pflichtinnungen übergeordnet waren die Reichsinnungsverbände in der Reichsgruppe Handwerk, während die Organisation auf unterer Ebene die neugeschaffene Kreishandwerkerschaft bildete. Die örtlichen Innungen mußten sich auflösen und wurden mit den Innungen des Kreises Norden-Krummhörn verschmolzen. Mit dem "Gesetz zur Ordnung der nationalen Arbeit", gültig ab Januar 1934, wurde das Verhältnis zwischen Betriebsinhaber und Belegschaft neu definiert: "Danach arbeiten der Unternehmer als Führer des Betriebes, die Arbeiter und Angestellten als Gefolgschaft gemeinsam zur Förderung des Betriebes. Der Führer des Betriebes hat für das Wohl der Gefolgschaft zu sorgen, letztere hat ihm die in der Betriebsgmeinschaft begründete Treue zu halten." "Jeder schaffende Deutsche" hatte dazu der "Deutschen Arbeitsfront" (DAF) anzugehören. "Ziel der Deutschen Arbeitsfront ist die Bildung einer wirklichen Volks- und Leistungsgemeinschaft der Deutschen". Die Eingliederung in die DAF machte nach dem Willen der NS-Regierung die bestehenden Handwerkerbünde und Gewerbevereine überflüssig, auch sollten ihr die Mitglieder der nach 1933 verbotenen Gewerkschaften, der ehemaligen Angestelltenverbände und Unternehmerorganisationen angehören. Ebenso wurde es als dringend erforderlich angesehen, "...daß in Zukunft die Angehörigen des handwerklichen Berufsstandes außer ihrer ständischen Organisationen (Innung, Innungsausschuß, Fachverbände, Handwerkskammern) nur noch die Mitgliedschaft in der Arbeitsfront erwerben".
Der 1. Mai, zuvor ein Festtag der organisierten Arbeiterschaft, wurde nun zum "Tag der nationalen Arbeit" erhoben. Großkampftage der Arbeitsschlacht, Tage des Handwerks, Umzüge und Kundgebungen sollten auch das Handwerk zu einem neuen Bewußtsein "verführen". Eine größere Zahl von Norderneyer Handwerkern schien das "Zeichen der neuen Zeit zunächst nur sehr zögerlich gefolgt zu sein. Sie ließen es nach den Berichten in der "Badezeitung" am "nötigen blinden Gehorsam und unbedingter Gefolgschaftstreue" fehlen. Auch bei der Örtlichen Feier des Reichshandwerkertages 1934 war die Teilnahme der Handwerksmeister "äußerst bescheiden, während Gesellen und Lehrlinge wohl gleich zu Hause geblieben waren." Dies besagt nicht, dass die Norderneyer Handwerkerschaft dem Nationalsozialismus besonders ablehnend gegenüber stand. Denn es war gerade der Mittelstand in Deutschland, der in der "Kampfzeit" der Nationalsozialisten vor 1933, für die Parolen und das Programm der NSDAP sehr empfänglich war und sich mit der Machtübernahme bessere wirtschaftliche Verhältnisse erhoffte. Demgegenüber standen auf Norderney die Linksparteien und Gewerkschaften, die seit den 1880er Jahren eine große Anhängerschaft besaßen, selbstbewußt auftraten und auch unter den Handwerksmeistern, die sich vom Lohnempfänger zum selbständigen Betriebsinhaber empor gearbeitet hatten, viele Sympathisanten besaßen.