Den Traum vom Eigenheim erfüllten sich vor gut fünfzig Jahren Einwohner der Insel in der heutigen östlichen Rheinstraße, nachdem die Stadt Norderney 1954 das östlich der Nordhelmsiedlung gelegene Ödland zur Bebauung freigegeben hatte. Es war eines der ersten größeren Siedlungsprojekte auf der Insel nach dem Zweiten Weltkrieg, um die Wohnungsnot zu vermindern, Familien zu Wohneigentum zu verhelfen und die insulare Wirtschaft zu beleben. Zwischen 1954 und 1958 entstanden auf dem als "Meiereisiedlung" bezeichneten Baugebiet siebzehn Einfamilienhäuser auf sehr großzügig bemessenen Grundstücken. Dieses Jubiläum wollen die Anwohner der Rheinstraße am morgigen Sonnabend ab 15.00 Uhr mit einem Straßenfest zünftig feiern. Das Fest wird mit Kinderspielen, einem Flohmarkt, Kaffee und Kuchen eröffnet. Grill-und Räucherfischstand sowie Getränkestände sind aufgebaut und Live Musik gibt es ab 19.00 Uhr mit Gerd und Walter. Zu diesem Fest sind Jung und Alt recht herzlich eingeladen. Die Veranstalter hoffen auf trockenes Wetter und einen guten Besuch, denn der Erlös des Festes ist für einen gemeinnützigen Zweck bestimmt.
Von der Bauleitung der Luftwaffe war 1938 mit dem Bau der Siedlung "Nordhelm" begonnen worden; bereits ein Jahr später konnten 27 Häuser gerichtet werden. Diese Wohnungen in den Siedlungshäusern waren Zivilbediensteten der Luftwaffe vorbehalten. Bereits 1937 hatte die Gemeinde Norderney ein Projekt von 100 privaten Siedlungshäusern im "Nordhelm" entwickelt, dessen Umsetzung aber der Krieg verhinderte. Allein ein von Otto Albrecht 1936 initiiertes Bauvorhaben, dem sich weitere Norderneyer anschlossen, konnte im Bereich des Birkenweges und der Nordhelmstraße umgesetzt werden.
1952 beauftragte die Gemeinde den Architekten Dr. Eschenbach aus Emden mit der Entwicklung eines Bebauungsplanes für das gemeindeeigene Ödland östlich der Nordhelmsiedlung - begrenzt durch den Birkenweg, die spätere Oder- und Lippestraße sowie den "Schwarzen Weg" vor den nördlichen Dünen. Eschenbach lieferte auch Entwürfe zu Musterhäusern, wie sie im Siedlungsgebiet - beginnend in der östlichen Rheinstraße - auf vielen Hausplätzen umgesetzt wurden. Auf Beschluss des Bauausschusses sollte "vorläufig am oder in der Nähe des Schwarzen Weges (Anm.: dem Schlackenweg südlich der Dünenkette) im gewissen Zusammenhang gebaut werden, nicht aber an zusammenhängenden Stellen des Siedlungsgebietes".
Das Interesse, hier draußen, eine halbe Stunde Fußmarsch vom Ort entfernt - "heel int Dünen" - zu bauen, war zunächst gering. Dazu trug sicherlich auch bei, dass die Baugrundstücke von den "Baulustigen" selbst erschlossen werden mussten. Im März 1954 wurden von Ludwig Rosenboom, Friedrich Hoffmann, Johann Janssen und Erhard Doliva die ersten Bauanträge für die Bebauung der Rheinstraße gestellt, im gleichen Jahr folgten die Anträge von Emil Schulz, Gerhard Möbus, Frau M. Barth, Friedrich Buß, Martin Dunker, Bernhard Schoolmann und Gerhard Gutzmann, 1955 dann von August Rass, Friedrich Visser, Ida Meyer und Karl Meyer.
Unmengen von Sand mussten zunächst bewegt werden, um das aus kleineren Dünen und Senken bestehende Baugebiet mit Karren und Loren zu planieren. Dabei war Nachbarschaftshilfe sowie die tatkräftige Unterstützung von Freunden und Bekannten gefragt. Auch der Hausbau erfolgte zumeist ohne den Einsatz von Maschinen. War das Haus fertig, so musste es zunächst für ein halbes Jahr austrocknen, bevor mit dem Innenausbau begonnen werden konnte.
Die Straßen der Siedlung Nordhelm bestanden zunächst nur aus Sandwegen. 1958 erhielt die Baufirma Heinrich de Vries den Zuschlag zur Pflasterung der Nordhelm-, Weser-, Elbe-, Main- und Rheinstraße. Bereits am 10. Januar 1955 hatte der Bauausschuss für die Siedlung Nordhelm und die Meiereisiedlung Straßenbezeichnungen beschlossen, die nach nochmaliger Beratung berichtigt wurden. Die zunächst beschlossenen Bezeichnungen Nordhelmstraße, Waldweg und Birkenweg wurden beibehalten. Umbenennungen erfolgten für die Detmolder Straße in Lippestraße, Bremer Straße in Weserstraße, Hannover Straße in Elbestraße, Hamburger Straße in Mainstraße, die Berliner Straße in Rheinstraße sowie der Dünenweg in Emsstraße. Beschlossen wurde auch, die noch nicht bestehende Straße von der Meierei bis zum Schirrhof als Oderstraße zu bezeichnen.
Der Beschluss erfolgte einstimmig, wie die "Badezeitung" berichtet. Lediglich von Ratsherrn Georg Pauls wurde angemerkt, "dass man die Namensgebung offensichtlich unter dem Eindruck einer Regenperiode getroffen habe" und "dass dann die Straßenzüge tatsächlich Wasserläufen glichen".
Das Bild der Rheinstraße hat sich in den zurückliegenden fünf Jahrzehnten zwar durch An- und Umbauten sowie Dachausbauten der Häuser verändert, der Charakter der ehemaligen "Meiereisiedlung" ist aber im wesentlichen erhalten geblieben. Wohnen unweit vom Strand, umgeben von viel Grün, das wissen nicht nur die Anwohner der Rheinstraße zu schätzen, sondern auch viele Gäste der Insel, die - besonders in den Sommermonaten - hier ihre Gastgeber finden.
Aus der gegenseitigen Mithilfe der ersten Siedler beruht noch heute die gute Nachbarschaft und Verbundenheit ehemaliger und heutiger Bewohner der Rheinstraße.
Das typische noch unveränderte Siedlungshaus der 50er Jahre
August Rass und Friedrich Visser auf den nördlichen Gartengrundstücken - Dünengelände, die erst kultiviert werden mussten
August Rass und der kleine blonde Ernst Visser.