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Seite 9

30.06.2018 - 150 Jahre Norderneyer Badezeitung

Traditionelle jüdische Betriebe kamen in Bedrängnis

In dem Buch "Jüdische Migrantinnen und Migranten im Seebad Norderney 1893-1938" schreibt die Autorin Ingeborg Pauluhn bezüglich der Integration in die insulare Bevölkerung: "Es gibt keine Zeugnisse für besondere Spannungen zwischen den jüdischen Einwohnern und der nichtjüdischen Bevölkerung Norderneys. Die jüdischen Feriengäste waren auch in der Weimarer Zeit noch gern willkommen, als die Nachbarinsel Borkum bereits zu einem Brennpunkt wilder antisemitischer Hetze geworden war."

Das jüdische Hotel Falk der Familie Hoffmann an der Ecke Bismarck-/Roonstraße.

Das jüdische Hotel Falk der Familie Hoffmann an der Ecke Bismarck-/Roonstraße.

Auf Norderney hatte die jüdische Geschäftstätigkeit eine bereits lange Tradition. Jüdische Beherbungsbetriebe, Restaurants und Geschäfte, die auch koschere Waren anboten, richteten sich früh auf die Bedürfnisse der jüdischen Gäste ein und bewirkten zugleich einen starken Zuzug von Personal jüdischen Glaubens. Das gesamte wirtschaftliche Geschehen dieser speziellen Wirtschaftsgruppe beeinflusste den wirtschaftlichen Aufstieg Norderneys nicht unerheblich, wie es die Autorin Ingeborg Pauluhn in ihrer weitreichenden Untersuchung dokumentierte.

Das änderte sich, nachdem die Nationalsozialisten an die Macht gekommen waren und auch auf Norderney jüdische Beherbergungsbetriebe und jüdische Geschäftsinhaber in Bedrängnis brachten.

Siegelmarke

Diese Siegelmarke wies auf "die besondere Errungenschaft" hin.

Der Untergang des Kindererholungsheimes der Zionsloge in der Benekestraße vollzog sich schleichend. Im August 1933 wurde den Betreibern klargemacht, dass Juden nicht mehr erwünscht seien. Der Bürgermeister verwies auf einen Regierungsbeschluss. Der Beschluss sei notwendig gewesen, weil Norderney wegen der jüdischen Gäste von anderen gemieden werde. Das Deutsche Erholungsheim für Kinder in Berlin kaufte das Objekt schließlich weit unter dem Marktpreis. Das jüdische Personal verlor seine Arbeit.

Hoffmanns Hotel Falk bestand 1933 seit 50 Jahren. Es hatte über 80 elegant eingerichtete Zimmer und war ein bedeutsamer Betrieb der Insel. Die Familie Hoffmann kam nach der Machtergreifung in große Bedrängnis. Julius Hoffmann schrieb im Dezember an das Preußische Innenministerium, dass die Badeverwaltung ihm in dem im Herbst herausgekommenen Werbeprospekt für Norderney eine Anzeige verweigert habe. Kurz danach kam die bekannte Siegelmarke mit der Aufschrift "Norderney ist judenfrei" heraus, und von der Kurverwaltung wurde in vielen Zeitungen bekannt gemacht, dass Juden in Norderney unerwünscht seien. Unterdessen machte die Badeverwaltung noch bekannt, dass an jüdische Kurgäste keine Kurkarten mehr ausgegeben würden. 1935 wurde das Hotel versteigert. Neuer Eigentümer wurde die Ostfriesische Sparkasse in Aurich.

Frühere Norderneyer Synagoge.

Frühere Norderneyer Synagoge.

Gedenkschild

Vorreiter der Inseln, die mit dem Begriff einer judenfreien Insel warben, war Borkum, aber Norderney folgte. Die Redaktion der Badezeitung folgte auch der Bitte, einen Artikel zu veröffentlichen, den zuvor die Bremer Nationalsozialistische Zeitung gebracht hatte. Die Überschrift in der Ausgabe am 22. August 1933 lautete "Norderney, ein verhindertes Weltbad". Eingangs wurde über den Staatsminister Rust geschrieben, der als alter Stammgast Norderneys die erste Hakenkreuzfahne in seiner Strandburg aufstellte. Noch wehte sie wohl einsam im Winde. 1933/34 leitete er das preußische Kultusministerium und von 1934 bis 1945 das Reichsministerium für Wissenschaft, Erziehung und Volksbildung. Rust war ein Hauptvertreter der nationalsozialistischen Erziehungsvorstellung.

Nach vielen würdigenden Zeilen über das große Seebad heißt es schließlich: Norderney war von jeher ein deutsches Weltbad. Aber es müsse auch von Notwendigkeiten gesprochen werden, Einiges zu ändern. Der Minister habe dabei die sogenannte Judenfrage angesprochen. Er wird zitiert: "Natürlich sind die Begriffe Weltbad und einer gänzlichen, borkumhaften Judensäuberung nicht völlig miteinander in Übereinstimmung zu bringen." Keinem Juden, der sich würdig, zurückhaltend und geschmackvoll benähme, solle auf Norderney ein Haar gekrümmt werden. Zitat: "Aber - wie war es denn? 60 Prozent Juden, darunter besonders viele Vertreter der östlichen Sorte mit den schlechtesten Umgangsformen und dem dreistesten Gebaren: Das hätte nicht geduldet werden brauchen und auch nicht geduldet werden dürfen. Und es ist doch auch noch in diesem Jahre bis in den Juli geduldet worden."

Rust beleidigte zugleich einen ehrenwerten Mann wie Jann Berghaus, der vom Gemeindeschullehrer und Bürgermeister zum Regierungspräsidenten aufgestiegen war. Berghaus warf er volkstümliches Denken vor. Er sprach von "demokratischer Gesinnungsverseuchung", die sich auf Norderney ausgebreitet habe. In die Kritik bezog er die abgesetzten örtlichen "Machthaber", wie wohl den von den Nazis abgesetzten Bürgermeister Carssen Lührs sowie Gemeindevorstände und Badedirektoren mit ein.

Nach dem Verbot der Parteien und Gewerkschaften und der Auflösung des Handwerkerbundes wurden im Herbst 1933 auch die Konsumvereine, wie die Norderneyer Konsumgenossenschaft, enteignet.

Zwischen dem 10. Mai und 21. Juni 1933 wurden im Zuge der von der nationalsozialistischen Deutschen Studentenschaft organisierten "Aktion wider den undeutschen Geist" an vielen Orten in Deutschland öffentliche Bücherverbrennungen durchgeführt. Grundlage für die Auswahl der zu verbrennenden Werke bildeten sogenannte "Schwarze Listen". Auf Norderney fand die Bücherverbrennung am Strand statt.

Die Deutsche Arbeitsfront (DAF) war in der Zeit des Nationalsozialismus der Einheitsverband der Arbeitnehmer und Arbeitgeber mit Sitz in Berlin. Die DAF wurde am 10. Mai 1933 nach Auflösung der freien Gewerkschaften gegründet. Deren Vermögen wurde zugunsten der DAF beschlagnahmt und das Streikrecht abgeschafft. Die Berufsverbände der Angestellten und der Arbeiter wurden durch staatliche Anordnung zusammengeführt.

Adolf Hitler ließ am 9. November 1933 eine Abstimmung über seine neue nationalsozialistische Politik durchführen. Die Wahlbeteiligung lag angeblich bei 96,3 Prozent und die Ja-Stimmen bei 95,1 Prozent. Nur 4,9 Prozent Nein-Stimmen soll es gegeben haben. "Norderneyer. Wir gehören zusammen", hieß es zuvor in einer halbseitigen Anzeigenseite. "Darum stimmen wir mit Ja. Darum wählen wir Adolf Hitler und seine Getreuen!" Das Ganze war unterschrieben von NS-Gruppierungen, Norderneyer Organisationen, Handwerksinnungen und Vereinen.


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