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Das Jahr 1914
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Norderneyer Badezeitung 12.08.2014

Von der Wacht am Nordseestrand

Geschichte Bademuseum zeigt Sonderausstellung vom Ersten Weltkrieg - Eröffnung am 21. September

Norderney - Vor 100 Jahren, am 1. August 1914, begann der Erste Weltkrieg. Mit Gedenkveranstaltungen, neuen Büchern, zahlreichen Filmbeiträgen und Ausstellungen rückt dieser Krieg, der auch als "der vergessene Krieg" bezeichnet wird, wieder in den Blickpunkt. Allein in den Museen Ostfrieslands werden über das Jahr 13 Sonderausstellungen gezeigt. Die vom Stadtarchiv Norderney vorbereitete Sonderausstellung, die am 21. September im Museum Nordseeheilbad Norderney eröffnet wird, berücksichtigt die mit der "Wacht am Nordseestrand" verbundenen besonderen Umstände und Ereignisse auf der Insel. Zahlreiche Bilder, Texte und Objekte dokumentieren Themen wie Inselwache, Seeflugstation und andere militärische Einrichtungen, dazu die Situation der Einwohnerschaft, das Kriegsende und die Opfer des Krieges.

Exponate gesucht

Für die Ausstellung werden noch in Privatbesitz befindliche Gegenstände aus der Zeit des Krieges gesucht, wie zum Beispiel Bilderalben, Briefe von der Front, Erinnerungsstücke, Auszeichnungen und andere interessierte Leihgeber sollten sich dabei mit dem Stadtarchiv in Verbindung setzen. Warum sich sämtliche auf der Insel wohnenden Offiziere auf dem Hof des Schulgebäudes versammelten, warum eine Inselwache formiert wurde und welche "wilden Gerüchte" auf der Insel kusierten - für die NBZ hat das Stadtarchiv die Ereignisse auf Norderney von 1914 bis 1918 zusammengefasst.

Bedeutende Epoche endet mit Beginn des Kriegs

Stadtarchiv Norderney erinnert mit Ausstellung an den Ausbruch des ersten Weltkriegs vor 100 Jahren.

138 Norderneyer kehrten nicht aus dem Krieg zur Insel zurück.

Wie in anderen Städten auch, so war auf Norderney das Attentat auf den österreichischen Thronfolger Franz Ferdinand mit großer Bestürzung aufgenommen worden und mit viel Aufmerksamkeit und Spannung erwartete man am 25. Juli eine Reaktion Serbiens auf das österreichische Ultimatum. Am 28. Juli erklärte Österreich Serbien den Krieg. Bereits in den Tagen zuvor waren die Anschlagtafeln und die Verkaufsbüros der Verlage von Scherl und Ullstein von Gästen und Einwohnern stets dicht umlagert gewesen. An diesem 28. Juli, abends, füllten sich auf Norderney die Lokale mit gewaltigen Menschenmassen, eifrig diskutierend über die spannenden politischen Verhältnisse. Die Menschen waren sich sicher, dass trotz der großen Gefahr für den Weltfrieden es auch diesmal gelingen würde, einen Krieg zu bannen. Weiterhin merkte Redakteur Heykamp an, dass Norderney selbst im Kriegsfalle nicht in Mitleidenschaft gezogen werde wie die befestigten Inseln (zum Beispiel Helgoland). Somit hätten die Gäste auf Norderney keine Veranlassung, beunruhigt zu sein. Seitens der Badegäste wurde der Presse vorgeworfen, auf Verlangen des Norderneyer Gemeindevorstandes nur die günstigen Mitteilungen zu veröffentlichen, die ungünstigen Meldungen über die politische Situation dagegen zu sperren. Der Gemeindevorstand ließ verlautbaren, dass Bürgermeister Dr. Uhde die Presse gebeten habe, beim "Aushang von Nachrichten über die kriegerischen politischen Ereignisse etwas kritischer zu verfahren und nicht jede, auf den ersten Blick schon unwahrscheinliche Sensationsmeldung anzuschlagen.

Am 30. Juli befahl der Zar die Generalmobilmachung der russischen Armee und Flotte, um Serbien zur Seite zu stehen. Von deutscher Seite wurde Russland dazu aufgefordert, die Mobilmachung binnen zwölf Stunden rückgängig zu machen und bei der französischen Regierung wurde angefragt, ob Frankreich neutral bleiben wird. Doch insgeheim liefen bereits die Vorbereitungen für einen militärischen Schlag gegen Russland. Am 31. Juli, um 18 Uhr, erklärte der deutsche Kaiser den Zustand der drohenden Kriegsgefahr.

Formierung einer Inselwache

Mit der Erklärung des Kriegszustandes hatte "der kommandierende General des X. Armeekorps" für Norderney "die Aufbietung des Landsturms zum Schutze unserer bedrohten Küste befohlen". Danach mussten sich "sämtliche auf der Insel wohnenden Offiziere, Unteroffiziere und Mannschaften des Beurlaubtenstandes der Armee und der Marine" sofort auf dem Hof des Schulgebäudes an der Chausseestraße zur Formierung der Inselwache stellen. Am 1. August fanden sich einige Hundert Landsturmpflichtige auf dem Schulhof der heutigen Grundschule ein, wo sie gemustert wurden. Ob sie am gleichen Tag die auf dem Dachboden des Westflügels der Schule lagernden Uniformen und zwei Ausrüstungsgegenstände erhielten, ist nicht überliefert. Ein Foto mit den Einberufenen zeigt eine große Schar von Männern in Alltagskleidung, aber auch im "Sonntagsstaat". In ihren Gesichtern ist keine Kriegsbegeisterung zu erkennen. Später wird man sagen, die Soldaten wären alle singend und blumenbekränzt in den Krieg gezogen. Zu Beginn des Krieges war dies zwar in den Groß- und Garnisonsstädten festzustellen, in den Kleinstädten und den Dörfern war von dieser Euphorie zumeist nichts zu spüren.

Einschränkungen im Postverkehr

Mit Beginn des Krieges wurden der Post- und Fernsprechverkehr stark eingeschränkt, der Fährverkehr nach Norddeich verringert beziehungsweise der Seebäderdienst der Hapag und des Norddeutschen Lloyd gänzlich eingestellt. Auch sollte von nun ab die Badezeitung vorläufig nur noch bei Bedarf erscheinen. Die Abreise der Kurgäste in ihre Heimatorte setzte bereits vor dem 1. August ein. Jedoch hatten nach dem Mobilmachungsplan Militärtransporte zunächst Vorrang. Am 4. August wurde den auf Norderney verbliebenen Gästen mitgeteilt, dass ein Grund für eine überstürzte Abreise zurzeit nicht vorliegt. "Es ist anzunehmen, dass jeder hier Zurückbleibende, sobald die ersten Kriegstransporte erledigt sind, von hier fort und nach seiner Heimat kommen kann." Bis Mitte August waren auch die seit Beginn der Badesaison Beschäftigten in ihre Heimatorte zurückgekehrt.

Viele "wilde Gerüchte" machten die Runde: Von Verhaftungen von Spionen wurde erzählt, von der Auffindung von Sprengstoffen und der Gefangennahme von feindlichen Truppen. "Man sollte mit der Verbreitung derartiger Gerüchte vorsichtig sein und die Erregung nicht noch größer machen", empfahl die Zeitung. Zum Opfer der Gerüchte wurde in Norddeich der Arbeiter Jenssen, der "zur Wahrung der öffentlichen Sicherheit" verhaftet wurde. Gegen ihn lag nichts weiter vor, als dass er mit einer Engländerin befreundet war.

Mit den Kriegserklärungen gegen Russland und Frankreich, welches von Großbritannien unterstützt wurde, befand sich Deutschland in einem Zweifrontenkrieg. Somit galt es, den Gegner im Westen schnell niederzuringen, um frei werdende Truppen an die Ostfront zu verlegen. Mit acht Armeen begann der Vormarsch im Westen. Nach dem Fall Lüttichs Mitte August marschierten die Deutschen auf Paris zu. Dieser Vormarsch stockt an der Marne. Im September begann an der Aisne der Stellungskrieg. Vier Jahre lang lagen sich die verfeindeten Mächte gegenüber, ohne in der Lage zu sein, trotz Maschinengewehr, Gasangriff und Einsatz von Flugzeugen, Kriegsentscheidendes zu leisten. Erst mit dem Kriegseintritt Amerikas im April 1917 änderte sich die Lage. Im Osten konnte der russische Vormarsch gestoppt werden. Im Dezember 1917 schlossen das vonder Revolution erschütterte Russland und die Mittelmächte, wozu das Deutsche Reich, Österreich- Ungarn, das Osmanische Reich und Bulgarien gehörten, einen Waffenstillstand.

138 Menschen kehrten nicht zurück zur Insel

Mit dem Kriegseinsatz kam in die Familien die Sorge um die Söhne und Väter. Der erste Kriegstote von der Insel, der den "Heldentod" oder den "Tod fürs Vaterland" erlitt, war der Gefreite im Oldenburgischen Infanterie-Regiment 91 Reinhard Bruns. Er starb am 23. August bei Chatelet in Belgien im Alter von 23 Jahren. Erst Mitte September erhielten die Eltern die Nachricht, dass Ihr Sohn gefallen war. Bereits einen Tag nach dem Tod ihres Sohnes Onno erhielt die Familie des Installateurs Bernhard Schoolmann darüber Nachricht vom Kommando der Marinestation in Wilhelmshaven. Onno Schoolmann, 21 Jahre alt, Matrose auf SMS "Ariadne", war am 28. August bei dem Gefecht in der Nordsee bei Helgoland umgekommen. Weitere 13 junge Menschen der Insel ließen bis Ende 1914 ihr Leben. Erst im März 1924, fünfeinhalb Jahre nach Kriegsende, herrschte Gewissheit über den Tod des Gefreiten Jann Ehmen Visser, geboren am 2. Februar 1893, der am 29. April 1918 bei der vierten Flandernschlacht im Kampf um den Höhenzug Kemmel, Departement Ypern, umgekommen war. Allein bei dieser Schlacht, die vom 5. bis 29. April 1918 dauerte, starben ungefähr 120.000 Soldaten. Insgesamt kehrten 138 Norderneyer nicht mehr zur Insel zurück.

Der Erste Weltkrieg war ein erster weltumspannender und die Bevölkerung in ihrer Gesamtheit betreffender und vereinnahmender Krieg. Nicht allein neue Kampfmittel, sondern besonders auch der über Jahre geführte Stellungskampf forderten außergewöhnlich hohe Opfer.

"Urkatastrophe des Jahrhunderts"

Historiker bezeichnen den Ersten Weltkrieg als die "Urkatastrophe des Jahrhunderts", die nicht nur zum Ende des alten Europa führte, sondern Anbeginn und Ursache einer mehr als 30 Jahre dauernden Zeit der Krisen und eines weiteren Weltkrieges war. Als der Erste Weltkrieg im November 1918 endete, lösten sich Reiche auf, Kaiser und Könige wurden gestürzt, Grenzen verschoben und neue Staaten entstanden. In Deutschland, Österreich und in Russland ging mit der militärischen Niederlage auch der politische Zusammenbruch einher. Die ehemals gesellschaftlichen und staatstragenden Eliten hatten weitgehend an Einfluss verloren. Für das Seebad Norderney endete mit Beginn des Krieges eine sehr erfolgreiche und bedeutsame Epoche, die mit der Gründung des Deutschen Kaiserreiches begonnen hatte. Während dieser Zeit wurden die Grundlagen für ein modernes Seebad geschaffen, wovon das Nordseeheilbad auch heute noch profitiert.

Metallzaun auf der Promenade

Metallzaun auf der Promenade zum Schutz vor feindlichen Landungen

Maschinengewehrstand auf der Georgshöhe

Maschinengewehrstand auf der Georgshöhe im Jahr 1916.


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