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53° 42' 26" N 7° 8' 49 Flagge der Insel
Chronik einer Insel
Insel Norderney

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Teil 35

Norderney Kurier (Serie erschien vom 27.10.2017 - 09.11.2018)

Norderney, mein Zuhause

Ein Teil dieser Erzählung soll den Mitbewohnern gewidmet sein, die nach Kriegsende 1945 auf Norderney ihre zweite Heimat fanden. Das Wort Heimat durfte man noch vor einiger Zeit nur vorsichtig buchstabieren. Heute hat die große Politik dieses Wort neu entdeckt und so weit auseinandergepflückt, bis der kleinste Nenner übrigblieb. Es wäre alles so einfach, wenn die Verantwortlichen nur die erste Strophe aus dem alte "Nordseewellen-Lied" gesungen hätten, in dem es heißt: "Schrill im Sturmgebraus, dort ist meine Heimat, da bin ich zu Haus."

Die alten Insulaner hatten mit dem Wort Heimat nie ein Problem. Wenn ein ausgelernter Geselle in die Fremde ging, bekam er von seinen Eltern mit auf den Weg: "Vergiss deine Heimat nicht." Der Klempnermeister Jan Holtkamp sagte noch dazu: "Lies die Badezeitung, trink Löwenbräu und bleib der Heimat treu."

Diese Treue zur Heimat konnten die Vertriebenen aus dem Sudetenland, Schlesien, Ostpreußen und Pommern nach ihrer Einweisung auf Norderney nur in ihren Gedanken behalten. Zunächst waren die Norderneyer skeptisch gegenüber den rund 2.000 Vertriebenen, die auch in ihren Pensionen einquartiert wurden. Nach und nach sahen die alten Einwohner, dass diese Neubürger fleißigund ehrenhaft waren. Viele Neubürger passten sich sofort der Inselmentalität an, und so entstand langsam ein Vertrauensverhältnis.

Bei der Stunde "Null", zum Kriegsende am 8. Mai 1945, hatten auch die alten Bewohner nicht mehr viel. Viele Norderneyer Männer kehrten aus der Gefangenschaft zurück, und für alle Einwohner wurden Lebensmittelmarken und Bezugsscheine ausgegeben. Dieser Zustand formte die Gesellschaft auf der Insel gleich.

Bald hatten sich die Vertriebenen hier eingelebt. Jetzt zeigte sich, wozu die Neubürger in der Lage waren, um ihr neues Leben auf der Insel selbst zu gestalten. Nur ein Beispiel für viele: Der Lehrer an der Volksschule, Willibald Hentsch, begab sich jeden Nachmittag zum Pfarrhaus der katholischen Gemeinde und schrieb auf DIN-A3- Blätter die Biografie und den Werdegang der Kirchengemeinde auf Norderney.

Auffallend bei den Norderneyern war, wie die Mütter der Vertriebenen ihre Kinder zur Schule schickten. Denn als sie auf die Insel kamen, besaßen sie nur das, was sie am Leibe trugen und was sie tragen konnten. Trotz aller Widrigkeiten bemühten sie sich, dass Beste daraus zu machen. Ihre Töchter hatten sauber gebürstetes Haar mit geflochtenen Zöpfen, die am Ende mit einer frisch über dem Wasserdampf geglätteten weißen Haarschleife gebunden wurden. Die Kinder, auch die Jungen, sahen alle picobello aus, kein Knopf fehlte und kein Riss war im Kleid. Als später einige dieser Jungen und Mädchen ins heiratsfähige Alter kamen, wurden auch die Norderneyer Jungen und Mädchen aufmerksam und bei einigen entwickelte sich eine Liebe, die das ganze Leben lang anhielt. Deren Nachkommen sind heute gebürtige Insulaner und haben ihren Weg gefunden und für sie ist Norderney jetzt ihre Heimat und ihr Zuhause.

Und noch etwas gibt es über das Heimatgefühl der Kriegszeit 1939 bis 1945 zu sagen: Fast jeder zum Wehrdienst eingezogene Mann gab, wenn er auf Urlaub war ein Foto von sich bei Meta Müller in der Winterstraße ab. Hier trafen sie sich auch und kauften ihre Tabakwaren. Der kleine Laden hatte sich zur Übertragung von Nachrichten aus den besetzten Ländern entwickelt. Meta Müller hat alle bei ihr abgegebenen Bilder in ein Album geklebt und mit Bildunterschriften dazu versehen. Nach dem Krieg händigte sie die von ihr gesammelten Bilder den Heimkehrern oder den Angehörigen der verstorbenen Norderneyer Soldaten aus. Das Album existiert heute nicht mehr.

Das Norderneyer Heimatgefühl hat der 1926 gegründete Heimatverein auf seine Fahne geschrieben und möchte es gern bewahren. Auch der auf dem Festland gegründete Verein der "Butennörderneers" hält die Beziehungen zur Insel aufrecht. Und die nach Amerika ausgewanderten Norderneyer lesen über Internet in der Chronik von Hans-Helmuth Barty gern den Norderney Kurier. Nur wer in der Fremde wohnt, kennt auch das Wort Heimweh.

Gefreut habe ich mich, als unser Bürgermeister Frank Ulrichs kürzlich während der Eröffnung des Kap-Neubaus den Begriff "Heimat" in seiner Rede aufgegriffen und ausgeführt hat.

OT-Lager

Die Luftaufnahme von 1961 zeigt im Vordergrund das ehemalige "OT-Lager". Das Lager bestand aus zwölf Holzbaracken. Gleich nach dem Krieg, als die letzten Bewohner (ca. 500 Kriegsgefangene) das Lager verlassen hatten, wurde es zunächst provisorisch für die Vertriebenen wieder hergerichtet. Zimmer wurden zu Wohnungen umgebaut. Gut zu erkennen sind die kleinen Hausgärten, die sie liebevoll aus Dünensand geschaffen haben. Nach und nach bekamen die Vertriebenen aus dem Lastenausgleich einen Betrag, von denen sie ihre eigenen kleinen Siedlungshäuser bauten. Ein großer Teil der Bewohner suchte sich auf dem Festland Arbeit und die Firma "Nino-Flex" in Lingen bekam neue Arbeitskräfte. Auch im Bergbau fanden sie Arbeit, vielen wurde Nordrhein-Westfalen zur zweiten Heimat. Heute steht auf dem Lagergrundstück das Wohngebiet "Am Wasserturm".


Eckehard Moschberger

Eckehard Moschberger (226) war ein fleißiger und geschäftstüchtiger Mann. Mit seiner Frau baute er sich ein Fischgeschäft an der Jann-Berghaus-Straße gegenüber der Volksschule auf. Nach seiner Pensionierung wurde der Hafen seine zweite Heimat. Hier mietete er sich eine kleine Herberge an, in der er viele Stunden am Tag verbrachte. Moschberger ist ein treuer Mieter einer Wohnung im Hause von Elektro Motzkus im Gewerbegelände.


Heinrich de Vries

Heinrich de Vries (224) war auch Ansprechpartner der "Rotschlipser". Das Bild vom Handwerkerumzug 1925 zeigt ihn (X) mit NorderneyerMaurergesellen, die auf Wanderschaft gehen wollten, vor dem Motivwagen der Maurerzunft. Er verabschiedete (von links): Claas Brinkmann, Unbekannt, Ernst Poppinga und Jan Kluin.


Hermann Wedermann

Das Bild zeigt Hermann Wedermann (227) am Gründonnerstag, 10.April 1941, vor seinem durch eine englische Fliegerbombe zerstörten Haus an der Karlstraße 2. Um 16.20 Uhr flogen von Norden her neun englische Flugzeuge im Tiefflug über die Insel. In Höhe der Kaiserstraße ließen sie ihre Bomben fallen. Eine schlug in die Veranda von Kriegsmann in der Friedrichstraße ein und rutschte zur Karlstraße und explodierte dort. Bei diesem Angriff wurden 20 Sprengbomben abworfen und acht Häuser stark beschädigt. Es gab vier Tote und diverse Schwerverletzte. Die Beerdigung war am zweiten Osterfeiertag.


Karl Morczek

Karl Morczek (225) war auch Innungsmeister der Frieseurinnung. Norderney hatte um 1935 zehn Friseurbetriebe, im Sommer kamen etliche Saisonbetriebe dazu. Morczek, der aus Ungarn kam, trug die Norderneyer Kopfbedeckung mit Tuchmütze, Kordel und Tuchschirm - alles im Norderneyer Blau. Morczek war ein adretter Mann, freundlich und warmherzig zu den Kindern.

Zörgiebel (223)
Otto Schiemann, Wilhelmstraße 2, war Tischler. Um zirka 1938 bekam er von den Norderneyern, die nicht in der NSDAP Mitglied waren, den Beinamen "Zörgiebel". Karl Zörgiebel war zu der Zeit Polizeipräsident von Berlin. Schiemann hatte die gleiche Statur und das Aussehen wie Zörgiebel. Dass die Norderneyer, trotz untersagter Mitgliedschaft in anderen Parteien, dennoch ihren Humor behielten, beweist diese Namensvergabe.

Ölimhaus (224)
Heinrich de Vries, Luciusstraße 8a, war Maurer. Sein Leitspruch war: "Hast du Öl im Haus, geht nicht bei dir die Lampe aus." Zu der Zeit gab es noch Petroleumlampen. Gemeint war aber eine alkoholische Flüssigkeit. Seine Maurerkollegen gaben ihm dann diesen Beinamen "Ölimhaus".

Treppenschneider (225)
Carl Morczek, Maibachstraße 1, war Friseurmeister und hatte seinen Betrieb in der Winterstraße 1 (ehemals Friseurmeister Erwin Pauls). Morczek war ein kleiner rundlicher Mann und stammte wahrscheinlich aus Polen. Nach dem Ersten Weltkrieg kam er nach Norderney und machte sich in der Winterstraße 23 selbstständig. Sein Spezialgebiet waren Herren- und Kinderhaarschnitte. Die Jungen bekamen meist alle einen Pony-Haarschnitt und die Herren den Fasson-Schnitt. Hierbei tat er sich sehr schwer und schnitt mit dem elektrischen Haarschneider öfter Ansätze in die Nackenhaare. Sie sahen dann wie Treppenstufen aus und so bekam er seinen Beinamen "Treppenschneider".

Onassis (226)
Eckehardt Moschberger, Friedrichstraße 12, war von Beruf Seemann. Um 1980 machte er sich als Fischer und Fischhändler selbstständig. Er besaß zwei Fischkutter. Zu der Zeit hatte der griechische Reeder Aristoteles Onassis mit seinen 30 Reedereien eine Flotte von 900 Schiffen. Eckehardt Moschberger hatte eine große Ähnlichkeit mit Onassis, und für Norderneyer Verhältnisse war es schon außergewöhnlich, zwei Fischkutter zu besitzen. Seine Kollegen am Hafen gaben ihm den Beinamen.

Aanterlie (227)
Hermann Wedermann, Karlstraße 2, war Arbeiter und bei der Spedition Fischer beschäftigt. Wedermann hatte ein Hüftleiden und deswegen einen schwankenden Gang. Somit bekam er von seinen Kollegen den Beinamen in plattdeutscher Sprache "Aanterlie" (Aant = Ente; lie = Leiden).

Jap Schlick (228)
Jacob Fröhlich, Luisenstraße 12, war Matrose bei der Reederei Frisia. Er fuhr auf der Frisia III und war dort als Koch tätig. Beim Kosten des Essens schlickte er es durch seine Lippen in den Mund. Da die Mannschaft großen Wert auf ein einfaches, aber leckeres Essen legte, bekam er den Beinamen "Jap Schlick".


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