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Betriebe und Einrichtungen | Norderneyer Badezeitung30.06.2018 - 150 Jahre Norderneyer Badezeitung
"UT OLLE TIEDEN - DAT BLATT": DIE BADEZEITUNG UM 1938
Bonno Eberhardt erinnert sich:
Anfang 1938 war der Chef der damaligen Belegschaft von zirka acht männlichen und zwei weiblichen Mitarbeitern der Journalist Hermann Heykamp. Er nannte sich Hauptschriftleiter und Geschäftsführer. Seine Markenzeichen waren ein großer Hut und der lange Wollmantel, was auf Norderney schon etwas Besonderes war. Sein Nachfolger in der Geschäftsführung wurde Paul Loizt. Dessen Markenzeichen waren der Schlapphut und seine Fliege. Solche Leute fielen bei den Einwohnern sofort auf. Somit gehörten Heykamp und Loizt zu den damaligen Honoratioren unserer Insel.
Die beiden Journalisten waren sehr geachtet. Einmal in der Woche, nach Feierabend, trafen sich die sogenannten Honoratioren bei einem Glas Bier und einer guten Zigarre, meistens bei "Schuchardt", und sprachen über Gott und die Welt. Dazu gehörte auch die Ärzteschaft der Insel. Von einer dieser Zusammenkünfte ist ein Vertellsel überliefert worden.
Sagte Dr. Schlichthorst zu Heykamp: "Heute hast du aber viele Fehler in der Zeitung gemacht." "Ja", sagte Heykamp, "ich weiß es und die werden morgen berichtigt. Aber deine Fehler, lieber Doktor, liegen auf dem Friedhof."
Heykamp und Loizt hatten große Unterstützung von ihren Norderneyer Mitarbeitern, wenn es um spezielle Norderneyer Angelegenheiten ging. So schrieben der Maschinensetzer Theodor Schulz und der Buchdrucker Jan Janssen in ihrer Freizeit viele Berichte aus der Vergangenheit. Jan Janssen hat sich auch als Heimatdichter einen Namen gemacht. Auch aus der Bevölkerung kamen immer wieder Leserberichte Vertellsels und sonstige Anekdoten als Beiträge in die Zeitung. Eine der bekanntesten Leserbriefschreiberin in der damaligen Zeit war Frieda Schipper.
Auch die Solidarität innerhalb der Belegschaft war sehr groß. Als der Buchdrucker Jan Janssen von einer schweren Krankheit für eine lange Zeit bettlägerig wurde, musste der Buchdruckerlehrling Alfred Mai Jan Janssens Gedicht "Mien Nördernee” auf einer großen Postkarte in Schönschrift aufbringen und mit Norderneyer Motiven am Rand ausmalen.
Die Buchdruckerlehrlinge wurden in der Berufsschule auch im grafischen Gewerbe unterrichtet. Alfred Mai hatte eine besondere Begabung für diesen Beruf. Die Postkarten wurden von den Mitarbeitern nach Feierabend gedruckt und zum Verkauf angeboten. Den Reinerlös überbrachten sie Jan Janssen ans Krankenbett, der in der Kirchstraße 20 wohnte. Jeder Norderneyer kannte früher dieses Gedicht. Hochgehalten wird es heute vom Norderneyer Heimatverein. Die Badezeitung hieß früher im Volksmund Blatt. Damals sagte man auch untereinander: "Wat steiht vandaag in ‘t Blatt?" - "Nix Nees, güstern stunn dor mehr in." Aber die Badezeitung gehörte auf der Insel mit zum Leben. Auch die Zeitungsausträger, meistens Jungen und Mädchen aus der letzten Schulklasse, waren sehr gewissenhaft. Hier hieß das Schlagwort: Vom "Tellerwäscher bis zum Millionär". Alle damaligen Zeitungsjungen haben ihren Weg gefunden und es in ihrem Leben zu etwas gebracht.
Fragte jemand: "Was ist das Schönste am Morgen", so bekam man zur Antwort: "Ein schönes Frühstück und eine neue Zeitung." Auf Norderney bekam man die Zeitung erst zwischen 13 und 14 Uhr. Dann kamen die Jungen aus der Schule; schnell Mittagessen und ab nach Soltau. Da lagen die Zeitungen bereits für jeden Austräger im Stapel. Es ist auch schon vorgekommen, dass ein Verwandter des Austrägers, wenn dieser verhindert war, die Zeitungen brachte. Den Austragungsplan hatten sie ja alle zu Hause liegen. Zu Weihnachten bekamen die fleißigen Jungen von den Abonnenten der Badezeitung ein kleines Geldgeschenk, als Dank und Anerkennung für die gewissenhafte "Bedienung".
Bekam man eine neue gedruckte Badezeitung in die Hand, so wurde zuerst die Rückseite gelesen. Vorrangig die Geburts- oder Todesanzeigen, danach die Annoncen und sonstigen Anzeigen. Danach wurde die Innenseite aufgeschlagen und alle Nachrichten aus der Heimat und Umgebung wurden studiert. Wenn das alles geschehen war, sah man sich Politik und Unterhaltung an.
Das Geschehen auf der Insel wurde im eigenen Haus in der Langestraße 6 verarbeitet. Das Weltgeschehen und Unterhaltsames kamen von einer Presseverteilungsstelle auf dem Festland mittels einer Druckmatrize jeden Wochentag über Norden (Soltau) nach Norderney. Der damalige Bote Ludwig Pauls aus der Luciusstraße brachte dieses wichtige Druckteil von Norden nach Norderney. Hier wurde sie von dem Maschinensetzer Erwin de Boer zum Drucken vorbereitet, indem die Buchstaben der Matritze mit einer Bleilegierung aufgefüllt und dann über die Walze der Maschine gezogen wurden, die gegen 11 Uhr in Gang gesetzt wurde. Auch das Norderneyer Geschehen wurde im Bleigießverfahren aufgearbeitet und mit auf die Walze gezogen. Der Stückzähler an der Maschine zeigte an, wie viele Zeitungen die Maschine drucken musste. Nach dem Druckvorgang wurde die Maschine mit Waschbenzin von der Druckerschwärze gereinigt und alle Öl- und Fettnippel wieder gewartet.
Die Zeit ist über Vieles hinweggegangen. So musste auch die gute alte MAN-Druckmaschine der Badezeitung der Moderne weichen und wurde im August 2004 ins Mainzer Gutenberg-Museum gebracht. Vielen Familien hat sie in all den Jahren Arbeit und Brot gegeben und außerdem die Norderneyer in Freud und Leid begleitet.