Chronik der Insel | Betriebe und Einrichtungen | Insel und Küste | Insel und Stadt Historisch | Küstenschutz | Presse | Vereine
Bodenstab (Bau) | Fliegerhorst | Freiwillige Feuerwehr | Giftbude | Haus Ihnken, Damenpfad | Hotel Germania | Inselkirche | Kinderkurheim Arnsberg | Kurverwaltung | Norderneyer Badezeitung | Norderneyer Schulen | OLB | Postamt | Reederei Norden Frisia | Seehospiz | Stadtwerke | Tischlerei Stürenburg | Wilhelm-Augusta-Heim
Betriebe und Einrichtungen | Norderneyer Badezeitung30.06.2018 - 150 Jahre Norderneyer Badezeitung
Der Nationalsozialismus im Spiegel der Badezeitung
Unter der Diktatur des Nationalsozialismus von 1933 bis 1945 herrschte als einzige zugelassene Partei die Nationalsozialistische Deutsche Arbeiterpartei (NSDAP). Nicht nur im Reichstag erreichte sie 1933 die entscheidende Mehrheit sondern auch bei den ebenfalls im März 1933 stattfindenden Gemeinde- Kreistags- und Provinziallandtagswahlen. Die NSDAP-Ortsgruppe Norderney wurde bereits 1929 gegründet.
In der Badezeitung vom 12. März 1933 wurde berichtet dass die Wahlveranstaltungen der NSDAP im Deutschen Haus und die der SPD in der Turnhalle kurz zuvor gut besucht gewesen seien. In einem Zeitungsinserat forderte der Kaufmännische Verein e.V. Norderney der seine eigene Liste zuvor zurückgezogen hatte seine Mitglieder auf die Nationalsozialisten zu wählen. Beim Inselergebnis lag die NSDAP dann mit 1.210 Stimmen deutlich vor der SPD die aber beachtliche 998 Stimmen bekam. Die Kommunisten wurden von immerhin 419 Wählern auf dem Wahlschein angekreuzt.
Kurz danach wurde im Reichstag am 24. März 1933 das sogenannte Ermächtigungsgesetz verabschiedet. Offiziell hieß es "Gesetz zur Behebung der Not von Volk und Reich". Nur mit Unterstützung der bürgerlichen Parteien konnte es beschlossen werden. Damit ging die gesetzgebende Gewalt faktisch vollständig an Adolf Hitler und seine NSDAP über. Die anderen Parteien und die Gewerkschaften wurden bald verboten.
Es gab anschließend eine Verhaftungswelle. Der engagierte junge Norderneyer Sozialdemokrat Willi Lührs bekam einen Hinweis auf seine bevorstehende Verhaftung und tauchte für ein halbes Jahr bei Bekannten in Wuppertal unter.
Die Badezeitung passte sich dem Zeitgeist der nationalsozialistischen Bewegung schnell an. So veröffentlichte das Inselblatt beispielsweise das gewaltverherrlichende Horst-Wessel- Lied: "Das zur Zeit in Deutschland neben dem 'Deutschlandlied meistgesungene Lied" wie es hieß. Voran stand Hinweis: "Der letzte Vers wird mit erhobenem rechten Arm oder entblößten Hauptes gesungen."
Am 27. April stand in der Badezeitung ein Aufruf zum Tag der nationalen Arbeit (1. Mai). Darin hieß es unter anderem: "Der Marxismus liegt zertrümmert am Boden. Die Organisationen des Klassenkampfes sind zerschlagen. In gewaltigen nationalen Feiern wird die Reichsregierung mit dem Volke zusammen diesen Festtag begehen." In schwärmerischen Worten schrieb der Norderneyer Lehrer E. R. Siemers ein bezeichnendes Zeitdokument welches am 2. Mai im Inselblatt als Würdigung des Festtages der Arbeit abgedruckt wurde. "Nie sah man auf Norderney ein solches Flaggenmeer. Mit uns zieht die neue Zeit!" Durch Adolf Hitler sei das möglich geworden. Die ganze Kaiserstraße habe man benötigt um die große Zahl der Volksgenossen in schöner harmonischer Ordnung aufzubauen. Dann setzte sich der Zug um 16 Uhr in Bewegung.
"Die Worte sind zu schwach, um diesen gewaltigsten aller Umzüge, diesem imposanten, eindrucksvollen Bekenntnis der Zusammengehörigkeit der ganzen Inselbevölkerung das Wort zu reden. 1.265 Männer und Jünglinge marschierten im gleichen Schritt und Tritt. Die Spitze des Zuges wurde durch Fahnenabordnungen des Kriegervereins, des Stahlhelm, der SA, der Hitlerjungend, der Liedertafel Eintracht und des Turnvereins eröffnet. Es folgten alle handwerklichen Berufsgruppen und Beschäftigte verschiedener Betriebe."
Die NSDAP missbrauchte die Arbeitnehmer und Vereine für ein angeblich gleiches Ziel des Volkes. Systematisch wurde das nationalsozialistische Gedankengut verbreitet, und es erfolgte der Aufbau von Organisationen im Sinne der ideologischen Gleichschaltungen.
So wurde auch von einem Vortrag des Medizinalrates Kreisarzt Dr. Fehsenfeld aus Norden in der Inselzeitung breit berichtet. Er war mit Rasse, Erbbiologie und Bevölkerungspolitik" über- und mit "Blut und Boden!" untertitelt. Zitat: Blut und Boden, das sind die Grundpfeiler, auf denen unser großer Führer das neue Deutschland aufrichten wird. Blut, Ausdruck für die Gesamtheit hochwertiger Erbanlagen eines rassisch sauberen Volkes. Boden - das Sinnbild der Heimaterde, Heimatnatur und Volkheit. Es geht letztlich um Auslese und Pflege alles Erbgesunden, Ausmerzung alles Erbkranken. Schutz und Pflege dem Wertvollen, Tod dem Minderwertigen, - also Auslese! Und dann las man weiter: "Unser Ziel ist darum der deutschblütige Mensch, die deutsche Kultur unter nordischer Führung. Wehe aber, wenn rassefremdes Blut unseren Volkskörper verseucht."
Die rassistische Ideologie der Nazis zielte vorrangig auf die Juden, eine Gruppe unter den Gästen der Insel, die recht bedeutend war. Aber es gab auch eine Synagoge auf Norderney, ein großes jüdisches Hotel und Geschäfte, die von Juden betrieben wurden. Im August 1933 berichtete die Badezeitung über einen jüdischen Kurgast, der von der Polizei in "Schutzhaft" genommen worden sei, weil ihn andere Gäste wegen einer angeblichen Beziehung zu einem "Christenmädel" als "Rasseschänder" denunziert hätten. Wie der Auricher Historiker Dr. Martin Tielke in seinem 1988 erschienenen Buch "Frisia Judaica" schreibt, forderte die Zeitung daraufhin "kurzerhand Konzentrationslager und Todesstrafe für den Mann" und kündigte an: "Dem nächsten Juden, der hier in der gleichen Weise gefasst würde, könnte es passieren, dass er am helllichten Tage einen unfreiwilligen Spaziergang durch die belebtesten Straßen der Insel machen müsste, geschmückt mit einem Plakat, auf welchem Name, Adresse und Tatbestand seiner Handlungsweise jedermann mitgeteilt werden würde (Quelle: Norderneyer Badezeitung vom 12. und 13. August 1933)."