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Auch Fischerei und Handelsschifffahrt kommen zum Erliegen
Schon bald nach der Gründung des Seebades Norderney zogen dunkle Wolken am politischen Horizont auf: Am 2. Dezember 1804 hatte sich Napoleon Bonaparte in Paris selber zum Kaiser der Franzosen gekrönt. Er erhob gleichzeitig mit diesem Titel Anspruch darauf, die zukünftige Gestalt Europas mitzubestimmen, was er dann in den folgenden Jahren - zunächst mit großem Erfolg - begann. Man muss dazu sagen, dass die politische Landschaft - auch in dem Teil Mitteleuropas, welches wir als Deutschland kennen - sich als ein ziemlicher Flickenteppich von Klein- und Kleinst-Staaten darstellte.
Nach der Schlacht bei Austerlitz, die er am 2. Dezember 1805 gegen Russen und Österreicher gewann, verschlechterten sich auch die Beziehungen zum Königreich Preußen und nachdem dieses mit Russland ein geheimes Bündnis geschlossen hatte, wurde Napoleon am 26. August 1806 ultimativ aufgefordert, seine Truppen hinter den Rhein zurückzuziehen. Dies betrachtete Bonaparte als Kriegserklärung. Er stieß im Oktober 1806 mit seinen Truppen vom Main aus durch Thüringen auf die preußische Hauptstadt Berlin vor. Die in der Schlacht bei Jena und Auerstedt geschlagene preußische Armee löste sich in den folgenden Wochen nahezu auf. Am 27. Oktober 1806 zieht Napoleon Bonaparte an der Spitze seiner Truppen in Berlin ein. Das Fürstentum Ostfriesland, seit 1744 preußisch, wurde zunächst Teil des Königreichs Holland und ab 1810 ein Department des "Empire Francais".
Bedingt durch eine von Napoleon verhängte Kontinentalsperre kommt nicht nur der Tourismus auf Norderney zum Erliegen, was ja zu der Zeit in dieser Entwicklungsphase des Tourismus für die Insel und Insulaner noch zu verschmerzen gewesen wäre, jedoch viel bedeutender ist, dass sowohl die Fischerboote als auch die Handelsschiffe der Insulaner entweder den Franzosen oder den Engländern zum Opfer fallen.
Denn von der Mitte des 18. Jahrhunderts an war die Handelsschifffahrt zur Haupterwerbsquelle für die insulare Bevölkerung geworden. Es gab - nachzulesen im Archiv-Journal des Stadtarchivs Norderney "Vive l‘Empereur" - im Jahr 1800 lediglich zehn Fischerboote (34 Mann Besatzung), hingegen 30 bis 40 Segelschiffe mit einer Größe von 20 bis 60 Lasten, das sind 40 bis 120 Tonnen. Die Besatzung dieser Schiffe bestand fast nur aus Insulanern.
Zunächst wurde die Kontinentalsperre auf Norderney von den Holländern kontrolliert, die bis zu einem gewissen Grad die durch die Not eingesetzte Schmuggelei geduldet hatten, jedoch hatte dies ein Ende mit der Stationierung französischer Truppen auch auf Norderney. 200 bis 300 Soldaten wurden im Conversationshaus einquartiert.
Mit der Stationierung von Soldaten erfolgte auf den Ostfriesischen Inseln der Bau militärischer Befestigungen. Also nicht nur auf Norderney, auch Borkum, Baltrum und Spiekeroog waren betroffen. Auf Norderney war es eine offene Feldschanze, auf den anderen Inseln befestigte man die Kirchen und umgab sie mit Palisaden.
Der Baubeginn dieser "französischen Batterie" war der Herbst 1811, auf einer großen Ebene süd-östlich des Inseldorfes, als "Schafweide" bezeichnet. Die Lage dieser Schanze hier hatte den Vorteil, ein freies Schussfeld zu haben, und zwar in alle Richtungen. Falls also die englische Marine einen Landungsversuch hätte unternehmen wollen, wäre dies nicht unbemerkt vonstatten gegangen. Die Bewaffnung bestand aus vier Sechs-Pfünder-Feldkanonen, die wahrscheinlich an den Eckpunkten der Schanze aufgestellt waren.
Diese "Napoleonschanze", in unmittelbarer Nachbarschaft zur später gebauten Windmühle Selden Rüst ist noch heute sehr gut erkennbar, eingebettet in die Kur anlagen und glücklicherweise heute nur noch zur Erholung und Entspannung genutzt, beziehungsweise findet in den Sommermonaten an den Sonntagen im inneren Teil ein früher Gottesdienst unter freiem Himmel statt (Waldgottesdienst).
Nach zehn Jahren französischer Herrschaft und nach Napoleons "Waterloo" wird durch eine Verabschiedung in der Schlussakte des Wiener Kongresses verfügt, dass Ostfriesland und somit auch die Insel Norderney an das neu gebildete Königreich Hannover fallen wird. Damit sind die Weichen für eine Fortführung der "Seebade-Anstalt Norderney" gestellt und für eine sehr erfolgreiche Weiterentwicklung des Bades und des Ortes Norderney nach englischem Vorbild, denn der König von Hannover ist gleichzeitig "Herzog von Cumberland". 1819 wird Norderney zum "Königlich Hannoverschen Staatsbad" und reiht sich fortan in die renommiertesten europäischen Bäder ein; vor allen Dingen aber erleben in den nun folgenden Jahrzehnten der sogenannten Hannoverschen Zeit Wirtschaft und Handel eine erste Blütezeit.
Napoleonschanze mit Norderneyer Mühle um 1910 (Stadtarchiv; Verlag H.Hofmann).
An der Franzosenschanze, aufgenommen um 1910 (aus dem Stadtarchiv Norderney)
Die Napoleonschanze im Kurpark im Frühjahr 2016 - gut 200 Jahre nach der Erbauung.
Die Napoleonschanze kurz nach der Fertigstellung. 200 bis 300 französische Soldaten bildeten ab 1810 die ständige Besatzung. Sie waren im Conversationshaus stationiert.