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53° 42' 26" N 7° 8' 49 Flagge der Insel
Chronik einer Insel
Insel Norderney

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Teil 28

Norderney Kurier (Serie erschien vom 03.06.2016 - 24.02.2017)

Die Norderneyer Mühle kann nicht mehr länger bewirtschaftet werden

Entgegengesetzt zur ungemein positiv verlaufenden touristischen Entwicklung der Insel ging es schon Ende der 1950er-Jahre für den Norderneyer Mühlenbetrieb einem sicheren Ende entgegen. Die Inselbevölkerung stellte sich auf die immer weiter zunehmende Nachfrage der Gästebeherbergung ein. Jedes freie Zimmer wurde in den Jahren hauptsächlich zur Sommersaison mit "fließend warmem und kaltem Wasser" vermietet. Im Gegenzug dazu aber wurden immer weniger Kleintiere wie beispielsweise Hühner, Enten oder sogar Schweine gehalten, die Abnehmerschaft für Futtermittel auf der Insel schwand sichtbar, und auch die Produktion von Mehl zur Herstellung von Brot wurde fast 15 Jahre nach Kriegsende sehr viel rationeller von industriellen Großmühlen erledigt. Auf dem Festland orientierten sich die noch arbeitenden Mühlen entweder um auf einen "Landhandel", also durchaus auf Produkte, die vorher selber hergestellt worden waren, oder die letzten verbliebenen Mühlen wurden stillgelegt, zu einem großen Anteil auch abgerissen. Von einem kostspieligen Erhalt dieser alten kulturhistorischen Bauwerke wollte in diesen Jahren einer grundlegenden Umorientierung kaum jemand etwas wissen. Die meisten Landhandelsunternehmen dienten im Laufe der nächsten Jahre als Aufkaufgroßhandel. Das heißt, sie bündelten Produktionsmengen vieler kleiner Erzeuger und lagerten das Getreide meist selbst ein. Somit sparte sich der Landwirt den Bau eines kleinen eigenen Lagers sowie die tägliche Kontrolle der Lagerbestände. Diese Möglichkeit einer solchen Umorientierung des Mühlen-Betriebes bestand auf Norderney natürlich nicht, es gab zwar noch etwas Landwirtschaft auf den Höfen östlich des Leuchtturms, aber es war eben kein wirklicher Markt vorhanden.

Am Ende dieses länger andauernden und nicht leicht zu akzeptierenden Erkenntnisprozesses, dass es für die Norderneyer Windmühle vielleicht keine Zukunft geben konnte, stand dann zunächst die endgültige Aufgabe des Mühlenbetriebes. "Selden Rüst" wurde nun, nach fast genau 100 Jahren, stillgelegt - die Bestätigung einer "Löschung aus der Handwerkerrolle" der Handwerkskammer für Ostfriesland erfolgte am 29. Juni 1962. Hinzu kam, dass mehr als zehn Jahre nach dem Brand der Mühle immer deutlicher wurde, dass weitere größere Renovierungen anstanden, um die Mühle als Gebäude überhaupt erhalten zu können. Ebenso klar war aber auch, dass diese Sanierung sehr viel mehr Geld kosten würde, als in den letzten Betriebsjahren erwirtschaftet worden war. An diesem Punkt ihrer Geschichte stand das Schicksal von "Selden Rüst" auf des "Messer‘s Schneide", ein Abriss oder eine teilweise Demontage war nicht mehr auszuschließen. Zunächst jedoch hatte sich der junge Tischlermeister Alfred Janssen mit seinem Betrieb in den Teil der Mühle niedergelassen, der heute als Eingangsbereich dient, also in das ehemaligen "Packhaus". Durch den Stillstand der Mühle, ihrer Mechanik, wurde eine Entscheidung zur teilweisen Erneuerung oder eben ein Abriss immer dringlicher. An dieser Stelle ergriff der Heimatverein Norderney die Initiative, ein Antrag auf ein "zinsloses Darlehen zur Instandsetzung der Windmühle in Norderney" an den Landkreis Norden wurde gestellt und gewährt, sodass es wohl Ende September 1964 zum Einsatz des Mühlenbauers Böök aus Dunum kam. An einen staatlich geförderten Denkmalsschutz im heutigen Sinne war in jenen Tagen noch nicht zu denken.

Nicht nur die Zahl der Erholungssuchenden auf Norderney stieg in diesen "Gründerjahren" sichtbar. Den Bürgern der Insel ging es zunehmend besser, was sich - neben anderen Branchen der Insel- Geschäftswelt - auch an der Erfolgsgeschichte der "Konsumgenossenschaft Norderney" als Trend ablesen lässt: Gegründet worden war diese "Konsumgenossenschaft" bereits am 2. November 1920 mit damals 215 Mitgliedern. Nach dem Krieg erfolgte schon im Jahr 1946 eine Neugründung und im Jahr 1947 die Wiederaufnahme des Geschäftsbetriebes. Neben mehreren anderen "Konsum"- Läden im Stadtgebiet wurde zwischen 1960/61 in der Nordhelmstraße ein neuer Laden gebaut, der dann im Jahr 1961 als erstes Selbstbedienungsgeschäft der Insel eröffnet wurde (Quelle: 1920 - 1995, 75 Jahre KGN).

Tatsächlich fand in diesen bedeutsamen Jahren der "Nachkriegszeit" nicht nur eine oberflächliche Änderung der Lebensgewohnheiten und des Konsumverhaltens statt, nicht einfach "nur" eine Wiederbelebung des Tourismus, sondern es bahnte sich etwas vollkommen Neues an, sozusagen ein "Paradigmen-Wechsel", also ein tiefgreifender und grundlegender Wechsel der Lebenseinstellung und auch der gesellschaftlichen Werte, und auch Umbrüche in anderen lebensweltlichen oder fachlichen Zusammenhängen.

Das zeigte sich auf allen möglichen und denkbaren Ebenen - unter anderem auch auf kulturellem Gebiet. Musik und Tanz - besonders die Vorlieben der jüngeren Generation - änderte sich auf eine, für die ältere Generation schockierende Art und Weise: der "Rock 'n' Roll", ein Sammelbegriff für diverse Frühformen der Rockmusik, die Mitte der 1950er-Jahre in den USA entstanden und in ihrer subkulturellen Funktion Mitte der 60er-Jahre von der Beatmusik abgelöst wurden, fand auch in Europa und Deutschland immer mehr Anhänger, insbesondere von der Jugend, die im damaligen Sprachgebrauch gern als "Halbstarke" bezeichnet wurden. Schon mit dem Ende des Zweiten Weltkriegs war der "Swing" der Big Bands - und auch andere, moderne Formen der Tanzmusik - mit den US-Soldaten in die "Alte Welt" gekommen. Er hatte die Generation unserer Eltern begeistert, das waren die Jahrgänge der um und nach 1920 Geborenen,die im Grunde ihre Jugend auf den Schlachtfeldern des Zweiten Weltkriegs, in den von Bombenangriffen zerstörten Städten oder auch auf der Flucht verbracht hatten.

Das Fernsehen war zu dieser Zeit eine mediale Randerscheinung, der Apparat ein Luxusgut, das unter 1.000 Mark (bis 1957) nicht zu haben war. Im Sommer 1953 euphorisierte das Fernsehen mit der elfstündigen Übertragung der Krönung von Elisabeth II. erstmals ein breites, europaweites Publikum. 1954 strömten Tausende in die Gaststätten, um die Fußballweltmeisterschaft am Bildschirm verfolgen zu können. Selbst ein Gerät zu besitzen wird für viele ein Traum, und immer mehr Menschen verwirklichen ihn in der Zeit des Wirtschaftswunders. In den Sechzigerjahren etabliert sich das Fernsehen, seit 1964 in Farbe, als Leit- und Massenmedium. Im Laufe der 50er-Jahre wurde das Fernsehprogramm erweitert. Zunächst auf täglich drei Stunden Sendezeit ausgelegt, gab es Ende der 50er-Jahre pro Tag bereits ein fünfstündiges Fernsehprogramm. Viel wichtiger waren zu der Zeit der Rundfunk, später auch die Anschaffung eines Schallplattenspielers - solche Sendungen des Hörfunks wie "Ein Abend für junge Hörer", oder "Zwischen Hamburg und Haiti" und auch Hörspiele fanden ein Millionenpublikum, für die Kinder gab es den "Kinderfunk", eine halbe Stunde Sendezeit am Sonntag - wie unter anderem "Kalle Blomquist, der Meisterdetektiv". Dieses NDR-Hörspiel aus dem Jahr 1955 ist ein absoluter Hörspielklassiker aus der Glanzzeit des Radios.

Langspielplatten

Ein Schallplattenspieler und Langspielplatten. Neben dem Rundfunkgerät in fast jedem Haushalt eine sehr beliebte Errungenschaft der 1950er-Jahre.

Das gesellschaftliche Leben der jüngeren und auch älteren Norderneyer war ebenfalls sehr bunt gemischt, aber gern angenommen. Es gab zahlreiche, sehr gut besuchte Veranstaltungen, wie zum Beispiel den "Feuerwehrball" und die legendäre "Insulinde Nacht", um nur zwei Beispiele von vielen zu nennen. Auch viele private Ereignisse wie Hochzeiten, Geburtstage und Jubiläen wurden oft, gern und ausgesprochen fröhlich gefeiert. Kurz gesagt: Die Nachkriegszeit war endgültig vorbei.

Aufnahme Ende des Jahres 1964

Aufnahme Ende des Jahres 1964 während der Sanierung der Flügel und der Galerie. Links unten im Bild der Namenszug des Tischlermeisters Alfred "Aju" Janssen, der von etwa Ende 1962 bis 1967/68 seine Werkstatt in dem Teil der Mühle hatte.

Schreiben der Handwerkskammer Ostfriesland

Mit diesem Schreiben der Handwerkskammer Ostfriesland war die Stilllegung der Norderneyer Mühle auch offiziell vollzogen.


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