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53° 42' 26" N 7° 8' 49 Flagge der Insel
Chronik einer Insel
Insel Norderney

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Teil 22

Norderney Kurier (Serie erschien vom 03.06.2016 - 24.02.2017)

Die Nationalsozialisten schreiben Müllermeister Okko Fleetjer ein Grundkontingent vor

Im Februar 1932 werden im Deutschen Reich mehr als sechs Millionen Arbeitslose gezählt. Mit einer Quote von rund 44 Prozent der erwerbsfähigen Bevölkerung hat Deutschland im internationalen Vergleich den weltweit höchsten Prozentsatz an Arbeitslosen. Die wirtschaftliche Lage des Reiches ist nach derWeltwirtschaftskrise des Jahres 1929 weiterhin katastrophal.

Zwar gab es Maßnahmen, diese Wirtschaftskrise in den Griff zu bekommen - unter anderem durch eine rigorose Sparpolitik, staatlich verordnete Lohnsenkungen und Preisstopps. Das sind alles Maßnahmen, die von führenden Nationalökonomen als richtig angesehen wurden.

Die Gewerkschaften hielten jedoch diese Maßnahmen für ein untaugliches Mittel zur Bekämpfung der Depression. Sie forderten die Verstaatlichung von Banken und Großindustrie sowie die Schaffung von Arbeitsbeschaffungsprogrammen, die jedoch angesichts der leeren öffentlichen Kassen nicht finanzierbar schienen. Nach dem Rücktritt des Reichskanzlers Brünings setzen auch die Regierungen unter Franz von Papen und unter Kurt von Schleicher die Deflationspolitik fort. Es wurden eine Reihe von Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen beschlossen, jedoch entsprach der Umfang dieser nicht dem Ausmaß der Krise.

Nach 1933 versuchte die Nationalsozialistische Deutsche Arbeiterpartei (NSDAP) eine Belebung des Arbeitsmarkts mit Maßnahmen zur Stimulierung der Arbeitskräftenachfrage und durch die Minderung des Arbeitskräfteangebots zu erreichen.

Neben dem Straßenbau senkte das NS-Regime die Arbeitslosigkeit insbesondere durch Wohnungsbauprogramme, Steuererleichterungen, Durchführung von Fortbildungskursen und die Schaffung staatlich subventionierter Beschäftigungsmöglichkeiten zum Beispiel als Land- und Erntehelfer oder Fürsorgearbeiter. Zahlreiche Kampagnen zum bevorzugten Kauf in Deutschland hergestellter Produkte sollten zusätzlich Konsumbereitschaft und Binnennachfrage anregen.

Der Anteil für Rüstung und Militär an den Gesamtausgaben des Staatshaushalts stieg zwischen 1933 und 1936 von vier auf 39 Prozent und 1938 war es bereits die Hälfte aller Staatsausgaben. Natürlich ist es aus einer Distanz von über 80 Jahren leicht, die Baumaßnahmen - auch auf Norderney - als "kriegsvorbereitend" zu erkennen. Auch waren es nach der Machtergreifung der Nationalsozialistischen Partei die vielen restriktiven Maßnahmen, vor allen Dingen in Bezug auf den jüdischen Teil der Bevölkerung, aber auch Kommunisten, Gewerkschaftler und Sozialdemokraten - die bei denen, die es wahrnahmen und miterleben konnten, eine große Besorgnis wachrief und für Verunsicherung sorgten. Doch die Hoffnung, es möge sich dabei um eine vorübergehende "Überreaktion" der neuen Machthaber handeln, war nicht selten vorzufinden - auch glaubte man allgemein, die Austragung der Olympischen Spiele 1936 in Deutschland mit vielen ausländischen Besuchern würde für eine gewisse Wiederherstellung von Recht und Gerechtigkeit sorgen.

Für die Norderneyer Mühle - wie auch für alle anderen Mühlenbetriebe - kam im Jahr 1934 ein neues Reichsgesetz zum Tragen: "Zur Regelung und Verwertung von inländischem Roggen oder Weizen". Hier wurde einerseits festgelegt, unter welchen Voraussetzungen eine bereits vorhandene Mühle erweitert oder sogar eine neue Mühle errichtet werden durfte. Und, dies war für die Norderneyer Mühle entscheidend, es wurde bestimmt, welche Mengen an Getreide die einzelnen Mühlen innerhalb eines genau definierten Zeitraums zu kaufen und verarbeiten hatten.

Das sogenannte "Grundkontingent" errechnete sich nach den von der jeweiligen Mühle in den Jahren von 1927 bis 1932 verarbeiteten Weizen- und / oder Roggen- Mengen. "Die Festsetzung, Erhöhung oder auch Herabsetzung des Grundkontingents der einzelnen Mühle erfolgt" - so der damalige Gesetzgeber - "nach volkswirtschaftlichen Gesichtspunkten im Rahmen des Gesamt-Mühlenkontingentes und der Gebietskontingente unter angemessener Berücksichtigung der wirtschaftlichen Lage des Betriebes."

In dem Buch "Brot-Butter-Kanonen" gehen die Autoren G. Corni und H. Gies auf dieses Reichsgesetz ein: "Schlechte Ernten, erhöhte Nachfrage, restriktive Einfuhr und das Bedürfnis nach Vorratshaltung angesichts einer zunehmend riskanter werdenden Außenpolitik veränderten ab 1934 allerdings die Probleme der Getreidewirtschaft völlig. Um einen drohenden Mangel an Brotgetreide zu vermeiden, mussten die Zwangsablieferungen entsprechend regional festgelegter Sollmenge und ein Verfütterungsverbot besonders für Roggen eingeführt werden. Es wurden zwar erhebliche Roggenkapazitäten für den direkten menschlichen Verzehr frei, andererseits öffnete sich aber eine empfindliche Lücke bei der Schweinemast."

Praktisch ging das so vor sich, dass für die infrage kommenden Jahre ein Formular ausgefüllt werden musste, eine Art Auflistung, welche Mengen Roggen und Weizen verarbeitet worden waren. Im Falle der Norderneyer Mühle war es so, dass nur Roggen und Futterschrot verarbeitet und verkauft wurde; an Roggen, als Beispiel: im Monat Juli 1930 22 Tonnen (hochgerechnet auf das Jahr 264 Tonnen) als Brotgetreide und im Oktober 1931 20 Tonnen Futterschrot (Jahresmenge 240 Tonnen).

Nach Eingang des Antrages wurde der Mühle "Selden Rüst" ein Grundkontingent von zunächst 114 Tonnen Roggen zur Verarbeitung zugesprochen, also deutlich unter der bisher verarbeiteten Menge. Auf den daraufhin eingereichten "Einspruch gegen das Grundkontingent" und Prüfung dessen kam dann im Dezember 1934 die Änderung des Grundkontingents mit der Erlaubnis, 200 Tonnen Roggen jährlich zu verarbeiten. Dasselbe Prozedere fand dann zwei Jahre später nochmals statt, im Juli 1936 wurde wieder einmal das Kontingent auf 160 Tonnen Roggen begrenzt, nach Einspruch kam ein neuerlicher Bescheid mit einer erlaubten Menge von abermals 200 Tonnen Roggen/Jahr.

Weststrand (um 1936)

Die Müllerstöchter Afkea (unten, ganz rechts) und Elisabeth Fleetjer (3. v. r. u.) genießen die noch unbeschwerten Zeiten. Hier am Weststrand (um 1936).

Erst langsam kam der Insel-Tourismus wieder in Fahrt. In einem Prospekt des Preußischen Staatsbads Norderney, herausgegeben vom Landesverkehrsverband Ostfriesland, wird 1936 mit den Worten: "Norderney erwartet Sie!" und "Norderney, das Paradies" und mit vielen schönen, friedlich anmutenden Fotos und Texten für die Insel geworben. Bilder vom Kurplatz (früher: Adolf-Hitler-Platz), vom Meerwasser-Wellenbad, den Tennisplätzen (damals noch an der Kaiserstraße) und spielende Kinder am Strand und in den Dünen. Ohne Zweifel, es ging in Deutschland wirtschaftlich aufwärts, und viele Menschen waren einfach froh, die wirtschaftlich schweren Zeiten überstanden zu haben. Auch auf der Insel wurde weiterhin viel gebaut. Nach dem Bau der Kasernen an der Mühle folgten die Häuser der neu angelegten Mühlenstraße, der Richthofenstraße und Tannenstraße. 42.000 Kurgäste konnte man im Jahr 1937 begrüßen. Im Vergleich zu den 21.000 Besuchern im Jahr 1933 eine beachtliche Größe, und jeder hoffte darauf, dass die Entwicklung so weitergehen möge. Kaum jemand dachte auch nur an einen bevorstehenden Krieg - auch wenn hier vielleicht ein "Prinzip Hoffnung" stärker war als die objektiven Zeichen.

Okko Fleetjer wird das Grundkontingent von 114 Tonnen Roggen zugeteilt.

Okko Fleetjer wird das Grundkontingent von 114 Tonnen Roggen zugeteilt.

Der Antrag Fleetjers auf Erteilung zum Weiterbetrieb einer Getreidemühle.

Der Antrag Fleetjers auf Erteilung zum Weiterbetrieb einer Getreidemühle.

Die Angaben Fleetjers zum tatsächlich vermahlenen Getreide in Kalenderjahren.

Die Angaben Fleetjers zum tatsächlich vermahlenen Getreide in Kalenderjahren.


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