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Insgesamt fiel eine Schadenssumme von 33.008,74 DM an
Glücklicherweise war die Norderneyer Windmühle "Selden Rüst" schon seit Anfang des 20. Jahrhunderts gut versichert, gegen Feuer und ebenso auch gegen Sturmschäden. Schon sehr schnell nach dem 24. April 1951 begannen die Aufräumungs- und Wiederaufbaumaßnahmen. Dazu gehörte selbstverständlich zunächst eine Bestandsaufnahme der Schäden, nicht nur am Gebäude der Mühle selber, sondern auch an den beweglichen Gütern des Betriebes. Das war zu einem großen Teil Getreide beziehungsweise schon zu Mehl oder Schrot verarbeitetes Getreide, jetzt entweder verbrannt oder durch das Löschwasser nass und somit bis zu 100 Prozent unbrauchbar geworden. Zusammengerechnet handelte es sich hier um mehr als 450 Zentner Getreide. Hinzu kamen noch durch das Feuer zerstörte Werkzeuge und andere Gegenstände.
Das allerdings war der vergleichweise kleinere Posten; ein erster "Kosten-Anschlag" des Mühlen-Bauers Heere Wurps belief sich schon mal auf über 18.000 DM, für solche Arbeiten wie "Achtkant" aufräumen, Brandstellen - so weit möglich - zu entfernen, Mühlenkappe aufräumen, unbrauchbare Teile ersetzen, "Obenrad" (Achsrad) neu anfertigen, ebenso die Bremse; die Königswelle zu bearbeiten und zu verstärken und vieles andere mehr. Für einen neuen Dieselmotor - die Mühle lief ja schon nicht mehr mit Windkraft - waren mit Zubehör 9.623 DM veranschlagt. Nochmals hinzu kamen Maurerarbeiten, hierfür waren etwas über 2.000 DM vorgesehen.
In anderen Publikationen oder auch bei Führungen wird mitunter kommuniziert, dass die Norderneyer "Mühle komplett heruntergebrannt sei", der Wiederaufbau der Mühle nur durch Spenden möglich wurde beziehungsweise dass die Versicherungssummen nicht für einen Wiederaufbau gereicht hätten. Nichts davon ist richtig, bezogen auf die Ereignisse von 1951: die Mühle war - wie erwähnt - über mehrere Versicherungen gegen Feuer abgesichert, was sich nach diesem Unglück als ungeheuer segensreich erwies. Ebenso war sie nicht total zerstört, schon kurze Zeit nach dem Brand konnte sogar die Arbeit wieder aufgenommen werden, wenn auch sicher anfangs eher behelfsmäßig. Bis zum Herbst des Jahres 1951 war aber die Mühle im Wesentlichen wieder hergestellt.
Am 25. Juli 1951 erstellte die Firma Wurpts den besagten Kostenvoranschlag. Gleichzeitig waren schon die Gelder von den verschiedenen Brandkassen / Versicherungen beantragt worden. Drei Brandkassen waren an der Schadensregulierung beteiligt: Die "Constantia" zahlte am 29. Juni 1951 die Summe von 7.125 DM, die Ostfriesische Landschaftliche Brandkasse überwies am 2. August 1951 zunächst 12.499,64 DM und am 21. September eine "Restzahlung" von 5.420,07 DM. Schließlich gab es dann noch eine Erstattungssumme von 4.479,93 über die "Mühlen-Soziätät" am 1. Oktober 1951. Zusammen waren das 29.524,64 DM - das war zwar sehr viel Geld im Jahr 1951, jedoch nicht genug, um die Mühle in ihren "Original"-Zustand zu versetzen.
Unter dem Strich lässt sich sagen, dass den angefallenen Unkosten von ziemlich genau 33.008,74 DM für die Wiederherstellung der Mühle, um sie weiter betreiben zu können und in einen annehmbaren optischen Zustand zu versetzen, eine insgesamt ausgezahlte Versicherungssumme von 29.524,64 DM gegenüberstand. Der "Rest" wurde von der Familie selbst aufgebracht und das war durchaus keine Kleinigkeit. Dennoch kann man sagen: Alleine durch den hervorragenden Einsatz der Löschkräfte ist tatsächlich das Schlimmste verhindert worden. Es hätte unter anderen Umständen leicht zu einem Totalverlust kommen können. Immerhin wurde das Wohnhaus nicht beschädigt, in dem zu der Zeit sechs Menschen lebten, und der Müllereibetrieb konnte nach wenigen Tagen nahezu problemlos wieder aufgenommen werden. Abschließend sei noch hervorzuheben: Der "Achtkant", der Rumpf der Mühle und die Kappe, wurde mit einer grünen Dachpappe eingedeckt, nicht wieder, wie es vorher gewesen, mit Reet. Dieser Zustand wurde erst etwa 40 Jahre später wieder geändert.
Die 1950er-Jahre der Bundesrepublik waren keine widerspruchsfreie und konfliktlose Zeit - manchmal wird sie als eine "bleierne Zeit" charakterisiert, vermutlich eher von der jüngeren Generation so gesehen, den Kriegskindern und später der Nachkriegsgeneration. Dieses Lebensgefühl, wie unter einer "bleiernen Kappe" zu leben, hat einerseits damit zu tun, dass eine tatsächliche Auseinandersetzung mit den Gräueln der nazionalsozialistischen Zeit und des Zweiten Weltkriegs nicht sichtbar stattfand; und andererseits, weil es eine gewisse Zementierung gesellschaftlicher Bedingungen gab. Während der Kriegsjahre und noch Jahre danach hatten viele Frauen allein für ihre Familien sorgen müssen, waren berufstätig gewesen. In den 1950er- Jahren gab es eine gewisse "Rückwärts-Bewegung" in dieser Hinsicht; berufstätige Frauen hatten es noch schwer, sich gleichgestellt zu fühlen. Jedoch waren diese Jahre - etwa nach 1955/56 auch wieder "Gründerjahre". Die älteren Mitbürger, welche noch den "totalen Krieg" am eigenen Leib und mit vollem Bewusstsein erlebt hatten, empfanden die beginnende Wendung zum Westen - den USA - hin, mit allen politischen, wirtschaftlichen und auch kulturellen Änderungen, vorwiegend als "segensreich". Kino und Hörfunk erlebten einen Boom, der Ausbau des Sozialstaats begann, die Landwirtschaft modernisierte sich. Und der beginnende, kräftige wirtschaftliche Aufschwung ermöglichte breiten Teilen der Gesellschaft Konsum - man nannte diesen Trend das "Wirtschaftswunder". Auch die Insel Norderney erlebte mit einem sich immer schneller entwickelnden Tourismus rasante Entwicklungsjahre. Immer weiter steigende Kurgastzahlen dokumentieren den wirtschaftlichen Aufschwung der Insel: 1950 werden 27.370 Kurgäste gezählt. Im Jahr 1960 sind es bereits 101.393 Besucher der Insel. Wieder einmal "erfindet sich die Insel neu". Zunächst allerdings ist der Standard noch "fließend Wasser, warm und kalt" und "Mittagstisch", nach dem Motto "Futtern wie bei Muttern". Viele Familien vermieten in den Wochen der Sommerferien die eigenen Wohnräume und ziehen für diese Zeit selber in den ausgebauten Keller oder andere Nebenräume. Dies ist aber der Anfang eines touristischen Booms, der bis heute - 2016 - noch kein Ende gefunden hat.
Auf diesem Dokument sind alle wichtigen Posten und die Zahlungen der Versicherung/en aufgelistet.
Die Autorin Iris Pugatschov mit Elisabeth Fleetjer, etwa 1955/56.
Die Mühle etwa Mitte der 1960er-Jahre. Der Achtkant und die Kappe sind mit grüner Dachpappe eingedeckt.