Chronik der Insel | Betriebe und Einrichtungen | Insel und Küste | Insel und Stadt Historisch | Küstenschutz | Presse | Vereine
Alte Häuser (B. Eberhardt) | Baltrumer Kirche um 1650 | Beaufortskala | Bodenbeschaffenheit | Dünen, Watt, Salzwiesen | G. Kampfer Veröffentlichungen | Hoch- und Niedrigwasser | Inselmühle (I. Pugatchov) | Inselwache (B. Eberhardt) | Küste vor 10.000 Jahren | Norderney erzählt | Norderneyer Ökelnaam | Trinkwasserversorgung | Verlagerung der Inseln | Weihnachtsflut 1717
Insel und Küste | Norderneyer Ökelnaam | Teil 1 | Teil 2 | Teil 3 | Teil 4 | Teil 5 | Teil 6 | Teil 7 | Teil 8 | Teil 9 | Teil 10 | Teil 11 | Teil 12 | Teil 13 | Teil 14 | Teil 15 | Teil 16 | Teil 17 | Teil 18 | Teil 19 | Teil 20 | Teil 21 | Teil 22 | Teil 23 | Teil 24 | Teil 25 | Teil 26 | Teil 27 | Teil 28 | Teil 29 | Teil 30 | Teil 31 | Teil 32 | Teil 33 | Teil 34 | Teil 35 | Teil 36/37 | Teil 38 | Teil 39 | Teil 40-42 | NamenNorderney Kurier (Serie erschien vom 27.10.2017 - 09.11.2018)
Ein Pfarrer zum Anfassen
Im Januar 1931 machte ein katholischer Pfarrer eine Kur im Hause Ludgeristift, einem Kinderheim in der Moltkestraße. Betreut wurde er von katholischen Ordensschwestern, die nebenan im Josephshaus lebten. Die Nonnen hatten hinter ihrem Haus in einer Düne eine kleine Kapelle aus Glas, ähnlich einer kleinen Veranda, wo sie täglich ihren Gottesdienst abhielten. Auch der Pfarrer nutzte diese Andachtstätte. Nach einem ausgiebigen Frühstück ging er stets spazieren und wurde pünktlich zur Mittagszeit um 12 Uhr wieder im Haus erwartet. Während seiner Spaziergänge unterhielt er sich gern mit Norderneyer Fischern, denn nebenan, in der Moltkestraße 16, wohnte Amel Köser sen. mit seinem Sohn Otto mit Familie. Beide hatten ein eigenes Boot. Die Schwestern vom Josephshaus hatten mit ihren Nachbarn, den Kösers, ein sehr gutes Verhältnis. Eines Tages wollte auch der Pfarrer zum Hafen gehen, um die Fischerboote näher kennenzulernen. Leider war das Wetter zu rau, und im Hafen trieben schon Eisschollen.
Nun muss man wissen, dass die Norderneyer Fischer sich immer am Hafen aufhielten, egal wie das Wetter war. Ein "Elf Ürtji" wurde in der Wartehalle eingenommen. Genau zu dieser Zeit nahmen die Fischer den Pfarrer mit in das Hafen-Restaurant, wo man sich bei Bier und Korn aufwärmte. Der damalige Wirt, Harm Visser, wusste, wie man mit besonderen Gästen umgeht. Da er seine Kundschaft genau kannte, gab er auch eine Runde aus. Visser wusste: "Alkohol löst die Zunge", und so kam es, wie es kommen musste.Die Zeit verging und der Pfarrer, der Volksnähe suchte, konnte mit der Trinkfestigkeit der Norderneyer nicht mithalten.
Die Schwestern im Josephshaus waren mittlerweile in großer Sorge, denn ihr Gast war nicht zum Mittagessen erschienen. Vielleicht hatte er sich in den Dünen verlaufen? Immerhin war es Winter und sehr kalt. Gegen 16 Uhr telefonierte die Oberin mit dem Wehrführer Wilhelm Becker und erzählte ihm die Geschichte. Da das Verhältnis der Norderneyer zu den Nonnen von großem Respekt geprägt war, ließ Becker sofort Sirenenalarm auslösen und einen Großeinsatz.
Alle aktiven Männer suchten mit von den Fuhrunternehmern gestellten Pferdegespannen und deren Leiterwagen das Dünengelände ab - ohne Erfolg. Schließlich fand man den Pfarrer in der Hafengaststätte im Kreise von Norderneyer Fischerleuten. Die hatten inzwischen den Pater mit Seemannsstiefel und Südwester ausstaffiert, um ihn mit der Seemannsmentalität der Fischer bekannt zu machen. Das "Seekranke Paterlein", so ein Gedicht vom 12. Januar 1931, wurde mit viel Geschick in eine Kutsche geladen und nach Hause gefahren. Hier war die Freude groß über das gute Ende seines "Spazierganges".
Die Vorgesetzten des Geistlichen müssen das aber missverstanden haben, denn der "Pfarrer zum Anfassen" wurde kurzerhand versetzt.
Die Wartehalle am Hafen war für die Fischer das "Zweite Zuhause". Nach Harm Visser übernahm Otto Beutner das Gebäude, wurde Pächter des Restaurants von der Staatlichen Wasserbauverwaltung und lebte mit seiner Familie dort. Auch das Hafenamt mit dem Hafenmeister war dort beheimatet. 1989 wurde das 1890 erbaute Hafengebäude abgerissen und auf dem Grundstück ein Nationalparkhaus mit einem Kostenaufwand von 320.000 DM erbaut.
Das Hafenrestaurant war modern eingerichtet. Die Eckbank war den Stammgästen, den Fischern vorbehalten. Auf einer der Sitzbänke saß sicher auch der katholische Pastor und hatte mit den Fischern fröhliche Stunden. Viele Gäste kehrten bei einem Hafenausflug im Restaurant ein, das für selbstgebackenen Kuchen und guten Kaffee bekannt war. Zu allen Zeiten waren die Frauen der Pächter die "Seelen der Stammgäste". Die Pächter betrieben auch die Bordrestauration der Frisia Dampfschiffe.
Nach der Währungsreform begann auf Norderney ein Run auf Pudelmützen. Ludwig Medebach war der erste Strickmützen-Hersteller, der diesen Boom erkannt hatte. Zunächst stellte er Frauen ein, die in Handarbeit die Mützen herstellten. Wegen der großen Nachfrage setzte er dann Strick-Maschinen ein. Inzwischen hatte er das Geschäftshaus an der Friedrichstraße 23 erworben. Heute führt seine Tochter Monika in der Strandstraße 11 das Mützengeschäft.
Die Karikatur hat der Zugführer Karl-Heinz Franke für die Rubrik "Einsatzprosa" des Jahrbuchs "100 Jahre Freiwillige Feuerwehr Norderney" (1884/5 - 1985) gezeichnet. So könnte der Pastor (links) in Südwester und Seestiefel im Hafenrestaurant ausgesehen haben. Auch ein Gedicht eines Feuerwehrmanns über das Geschehen wurde veröffentlicht.
Die Familie Peter Harms (148) war bekannt für ihre Gutmütigkeit. Ihr Sohn Gerd wurde Gemüsehändler in der Winterstraße 2. 1920 nahmen sie die kleinwüchsige Margot Levy als Pflegekind auf. Die Jüdin, die evangelisch erzogen wurde, hieß bei den Norderneyern "Lüttji Lotti". Sie besuchte die Volks- und Mittelschule und hatte viele Spielkameraden in der Beneke- und Wiedaschstraße. In der Progromnacht 1938 wurde sie abgeholt, und Peter Harms betreute sie während ihres Freiheitsentzugs im Vorgarten des Hotels Richters. Sie musste Norderney verlassen und lebte illegal in Berlin bei Verwandten. Nach dem Krieg heiratete Margot einen Schlagzeuger und besuchte oft Norderney. Sesshaft wurde sie aber nicht mehr auf der Insel.
Johann Visser (147) war bei den Norderneyern als Totengräber sehr angesehen. Er kannte alle Haushalte der Verstorbenen. Sein Erscheinungsbild mit Zylinder, Gehrock und Fliege war vorbildlich. Visser pflegte ein gutes Verhältnis zu seinem Nachbarn Pastor Fischer. Auf dem Foto sieht man Visser (X) 1955 bei der Beerdigung von H.C. Müller, dem Bruder von Johann Müller (106). Die Norderneyer sagten immer, wenn sie über Visser sprachen: "Sterben ist sein Gewinn."
Willi Eils (143) hatte seine Klempner-Werkstatt mit Ladengeschäft in der Strandstraße. Eils - hier beim Maiumzug 1935 - war ein bescheidener und fröhlicher Mann, der immer Hut trug. Er bildete viele Norderneyer zu Klempnern und Installateuren aus. Auf Innungsversammlungen erzählte er, dass er eingehende Rechnungen nur am Wochenende öffnete.
Willy de Boer (146) um 1950 als Schachtmeister und Vorarbeiter bei Küstenschutzarbeiten am ehemaligen Soldatensteindamm. De Boer war bei seinen Kollegen sehr beliebt und er hatte ein großes Fachwissen. Den Tod seines Sohnes Wilhelm, der am 8. Mai 1945 bei einem Tieffliegerbeschuss ums Leben kam, hat er nie überwunden.
Negus (142)
Alfred Iken, Siedlung 73, war Angestellter und von dunkler Hautfarbe.
Meister Lumpi (143)
Willi Eils, Strandstraße 12, war selbstständiger Klempnermeister. Er hatte einen Dackel der auf den Namen Lumpi hörte. Bei geschäftlichen Anlässen nahm er immer seinen Lumpi mit.
Mini Piep (144)
Mine Visser, Bürgermeister-Berghaus-Straße 44, war die Frau des Schafhirten Hermann Visser. Sie rauchte Pfeife (Piep), was auf der Insel selten vorkam, und so bekam sie ihren Beinamen.
Mützenmaker (145)
Ludwig Medebach, Friedrichstraße 23, kam um 1949 nach Norderney. Zunächst in einer Zweizimmerwohnung in der Winterstraße 14a fertigte er mit Familienangehörigen Strickmützen an.
Nicki Buhl (146)
Willy de Boer, Marienstraße 22, war von Beruf Schachtmeister bei der Tiefbaufirma Arend Baumann. Um 1950 pachtete er zusammen mit seiner Lebensgefährtin Gerda Albers, die eine gelernte Wirtin war, das Restaurant Napoleonschanze von Reemt Poppinga und machte daraus ein Tanzlokal. Hier ging es manchmal hoch her und de Boer musste so manchen Streit unter den jungen männlichen Tänzern schlichten. De Boer hatte ein Atherom an der Stirn und bekam wegen dieser Beule (Buhl) seinen Beinamen.
Opa Schuh oder auch Johann Küül (147)
Johann Visser, Mittelstraße 3, war Schuhmachermeister und hatte seine Werkstatt gegenüber dem Pfarramt. Visser war auch Totengräber der evangelisch- lutherischen Kirchengemeinde Norderney. Den Beinamen Opa Schuh bekam er von seinen Enkelkindern. Wie er zu dem Beinamen Küül gekommen ist, ist nicht mehr zu erfahren. Diesen Namen hatte er aber schon in seinen jungen Jahren. Das plattdeutsche Küll heißt auf Hochdeutsch Oberschenkelkeule. Vielleicht hatte er starke Oberschenkel?
Peter Huffel oder Kaiser (148)
Peter Harms, Benekestraße 47, war Arbeiter und teilweise bei der Gemeinde beschäftigt. Der Ursprung des Beinamens Huffel ist nicht zu ermitteln. 1906 besuchte der deutsche Kaiser Wilhelm II. die Insel. Bei der Ankunft soll Harms gesagt haben: "Guten Tag, Herr Kaiser." Daraufhin hatte er seinen Beinamen Kaiser erhalten.