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Aller Anfang ist schwer
1797 wurde auf Norderney die erste deutsche Nordseebadeanstalt eröffnet und unter preußischer Regie geführt. 1800 eröffnete das "Seebad Norderney" offiziell. Der Initiator, Dr. Friedrich Wilhelm von Halem, wurde 1802 vom Preußen-König Friedrich Wilhelm III. (bis 1806) zum "Badearzt" ernannt und erhielt große Kompetenzen.
Dr. von Halem hatte es zu Beginn mit dieser neuen Einrichtung auf Norderney und mit den Bewohnern schwer.Der Inselvogt Johann Gerhard Feldhausen wurde ihm unterstellt, was diesem gar nicht passte. Obwohl Feldhausen die Polizeigewalt hatte, ließ er den aufkommenden Vandalismus gegen Kureinrichtungen zu. Einige Insulaner wollten die Neuerung nicht akzeptieren, weil jetzt mehr "Fremdskied" (Fremde) mit besserer Bildung auf die Insel kam und die Neuen Führungspositionen übernahmen.
Nach Saisonende haben damals Norderneyer und ihre Kinder mutwillig und aus Bosheit Steine auf die Dächer der Kureinrichtungen geworfen, Schlösser ruiniert und vieles mit Kreide bemalt. Am 29. Juni 1801 schrieb Dr. von Halem einen Brief an den König mit der Bitte, "dem Vogt eine Warnung unter nachdrücklicher Bedrohung gegen dergleichen Vergreifungen zur öffentlichen Publikation erteilen zu lassen".
Von 1814 bis 1838 wurde Graf August Friedrich von Wedel-Nesse Badekommissar von Norderney unter der Regie des Königreiches Hannover. Langsam setzte der Tourismus mit Kuren und Vergnügungen auf der Insel ein. Graf von Wedel baute sein Haus am Weststrand, welches er auch an den Adel und andere Leute von hohem Rang vermietete. Er war ein sozial eingestellter Mann, von dem die Insulaner profitierten.
Erst im Laufe der Jahre begriffen die Ur-Einwohner, dass die neu gegründete Kureinrichtung ihnen ein besseres Leben ermöglichte und was Dr.von Halem erreicht hatte. Deshalb wurde nach dem Arzt eine Straße benannt.
1866 wurde Norderney wieder preußisch, um 1900 war die Inselbevölkerung auf 4.021 Personen angestiegen. In diesen Jahren begann für die Fischerei der Abstieg. Nur noch 29 Boote mit 89 Mann Besatzung waren registriert. Für einige Fischer wurde die Kurverwaltung im Sommer die Haupteinnahmequelle. Es entwickelte sich bei den Badefrauen und bei den Männern, die am Strand ihre Arbeit verrichteten, eine Hierarchie, die sich an ihrer Arbeitskleidung zeigte. Die Vorarbeiter der Badefrauen waren die "Rothosen", die halbhohe, rote Hosen bei der Arbeit trugen. Strandkapitäne hatten für die Badestrände jetzt die Verantwortung.
Auch Norderneyer Fuhrunternehmen bekamen im Sommer Aufträge von der Kurverwaltung und zogen mit ihren Einspännern die Badekutschen ins Meer. Da die gesamte Norderneyer Badeverwaltung dem preußischen "Fiskus" gehörte, wurde auch die Arbeitsweise danach ausgerichtet. Die preußische Fahne, schwarzweiß, wurde zum Markenzeichen.
Nach Ende der Monarchie lebte die Tradition der Kuren und des Tourismus wieder auf und wurde weiter ausgebaut. Die wirklichen Entscheidungen fielen in der niedersächsischen Landeshauptstadt. Erst als die Schulden der Kurverwaltung immer größer wurden, wurde 2003 unter dem damaligen Bürgermeister Klaus Aldegarmann das Staatsbad kommunalisiert. Heute ist das Unternehmen eine GmbH, die betriebswirtschaftlich auf kaufmännische Art geführt wird. Vandalismus gegenüber dem Eigentum der Kurverwaltung kommt auch noch hin und wieder vor.
Die "Villa Wedel" am Weststrand war von 1908 bis 1914 auch als Sommersitz "Villa Edda" des Reichskanzlers von Bülow bekannt. Vorher wohnte er von 1901 bis 1907 im Nachbarhaus "Villa Fresena". 1921 ging die "Villa Wedel" in den Besitz der Stadt Wanne-Eickel über, die dort bis 1981 ein Kindererholungsheim betrieb. Danach kaufte die Familie Creutzenberg das Gebäude und baute es zum Appartementhaus Meeresburg aus. Das Haus bekam 1944 einen Tarnanstrich (Foto), weil dort eine Funkerlehrschule der Marine-Artillerie eingerichtet war. Die Grundsubstanz ist trotz aller Umbauten heute noch erhalten.
Theodor Dirks (150, vorn rechts) hatte seinen Betrieb in der Wiedaschstraße. Er war mit einer geborenen Carstens verheiratet und aus der Ehe gingen fünf Söhne und drei Töchter hervor. Die Söhne erlernten alle wie ihr Vater den Maurerberuf. Sohn Paul (nicht mit auf dem Bild) ist im Zweiten Weltkrieg gefallen. Das Bild zeigt die Großfamilie anlässlich eines Geburtstages von Vater Theodor. Die Familie Dirks hatte kein leichtes Leben, hat aber durch ihren Fleiß ein schönes Heim in der Wiedaschstraße geschaffen. Durch die Einheiratung in die Familie Carstens entstand bis heute eine große Verwandtschaft.
Diese Postkarte aus dem Archiv von Jochen Pahl, abgestempelt am 8. Juni 1900, zeigt links das Manufakturgeschäft von Heinrich J. Müller (152) aus der Langestraße 1. Im Erdgeschoss war der Laden eingerichtet, und die Wohnung der Familie Müller mit dem Balkon befand sich darüber. Das Haus stand direkt gegenüber dem Pfarrhaus. Müllers größter Konkurrent war das Warenhaus von Koppel & Weinberg in der Poststraße 9. Auch die zweite Generation bekam den Namen Post-Müller. Bis heute ist die Grundsubstanz des Hauses erhalten geblieben.
Das Bild zeigt Hans Heyen (153) mit seiner Frau Coba (Zweite von rechts) und zwei Mitarbeiterinnen. Im August 1958 eröffnete er einen Friseursalon in der Friedrichstraße (ehemals Dodo Risius, Zigarren). Er hatte auch ein großes Sortiment an Ersatzteilen für Käthe-Kruse-Puppen, die bei kleinen Mädchen sehr beliebt waren. Heyen war sehr kinderfreundlich und reparierte die Puppen. Seine Spezialität waren die Puppenaugen, die häufig kaputt gingen. Er schnitt auch gern die Haare von Kindern - immer mit Pony-Frisur.
Menno Müller (151, links) war bei der Gemeinde Norderney angestellt. Im Sommer war er am Strand tätig, sorgte für Ordnung und kassierte Gebühren. Das Erkennungsmerkmal der Aufseher war die gemeindeeigene Uniform, deren Träger polizeiliche Vollmachten hatten. Im Sommer trugen sie, der Jahreszeit angepasst, weiße Hosen zu ihrem blauen Rock. Müller war ein kleiner Mann, er war sehr gutmütig, gerecht und pflichtbewusst - nach preußischem Vorbild.
Tischlermeister Christian Eils (149) wohnte im ehemaligen Packhaus, das zwischen der Strandstraße und der Kirchstraße stand. Dort hatte der ehemalige Bauunternehmer Fastenau seinen Betrieb. Später kaufte Eils das Eckhaus Luisenstraße 27 von Karl Gerdes und baute dort seine Tischlerwerkstatt. Das Bild zeigt ihn (links) 1941 vor der Werkstatt mit seinem Sohn (oben) und seinem Nachbarn Enne (Bubi) Ennen. Sie waren seit der Kindheit Freunde und 1941 zu gleicher Zeit auf Urlaub. Eils‘ Sohn war U-Boot-Fahrer und ist im Krieg auf See geblieben. Das Haus ist heute noch in Familienbesitz und wird vom jüngsten Sohn Uwe mit Familie bewohnt.
Packus Eils (149)
Christian Eils, Kirchstraße 8, war Tischlermeister und hatte seine Werkstatt in einem ehemaligen Packhaus. Später wohnte er im Herrenpfad 5 und danach in der Luisenstraße 27.
Pikinini (150)
Theodor Dirks, Wiedaschstraße 9 a, war Maurermeister und betrieb ein kleines Baugeschäft. Er war um 1925 Mitglied der F.F.F. (Freigeld, Freiwirtschaft, Freiland). Es war eine Freiwirtschaftsbewegung, die 1933 aufgelöst wurde. Aus dem norddeutschen Wort "Pinke" für Geld haben die Norderneyer für ihn den plattdeutschen Beinamen Pikinini geschaffen.
Pootji Müller (151)
Menno Müller, Poststraße 5 a, war Gemeindediener und Vollstreckungsbeamter der Gemeinde Norderney. Er hatte eine Versehrtheit am Fuß und musste einen orthopädischen Schuh tragen. So kam der Beiname Pootji (Fuß) zustande.
Post Müller (152)
Hinrich J. Müller, Langestraße 1, war Kaufmann und hatte ein Manufakturwaren- Geschäft. Dort kauften die Norderneyer Stoffe als Meterware. Außerdem verkaufte Müller solide Wäschestücke und Bekleidung für die Fischer und hatte Mützen am Lager. Seinen Beinamen "Post Müller" bekam er, weil sein Geschäftshaus ganz in der Nähe der Post stand. So sagten die Norderneyer: "Ga man na Post Müller, de hett dat." (Geh mal zu Post Müller, der hat das.)
Puppendoktor (153)
Johannes (Hans) Heyen, Luciusstraße 21, hatte ein Friseurgeschäft und reparierte defekte Puppen.
Flöten Heinrich (154)
Graf Heinrich von Oeynhausen, Rittmeister a. D., war von 1893 bis 1912 Königlicher Badekommissar (Kurdirektor) der Kurverwaltung Norderney. Er wohnte mit seiner Familie im Ostflügel des Conversationshauses. Warum er den Beinamen bekommen hat, ist heute nicht mehr zu erfahren. Wahrscheinlich pfiff er die Märsche mit, die die Kurkapelle vor seinem Büro im Conversationshaus spielte. Sein Büro stand nur nach Ende eines Kurkonzertes für das Publikum offen.