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Ein "schöner Teeflick"
"Ab heute bin ich alt", sagte ich noch mal. Meine Frau schaute mich an, musste lachen und sagte: "Du bist wohl einen Tag älter als gestern, aber noch ist alles in d‘ Rieg (in der Reihe, in Ordnung). Soll das heißen, dass du ab morgen nichts mehr tun willst?" - "Nein, nein", sagte ich, "du musst mich bei kleinem doch kennen, dass ich immer etwas um die Hände haben muss, und in den Glasschrank kann ich mich noch nicht setzen. Vielleicht ist das ja auch nur ,platonisch‘ gedacht?" Mann, da hatte ich was gesagt. "Du", sagte ich zu meiner Frau,"setz dich man hin,ichmuss dir das genau verklogfiedeln (erklären), wie ich das meine." Und dann erzählte ich meiner Frau:
Im Mai 1945 war der Krieg aus, du warst neun und ich 16 Jahre alt, und ich stand auf der Straße und hatte keine Arbeit mehr. Das sogenannte Dritte Reich gab es nicht mehr. Nach meiner Konfirmation 1943 hatte ich eine Lehrstelle hier auf dem Fliegerhorst in der Lehrwerkstatt als Flugzeugbauer angefangen. Die Lehrwerkstatt war oben in der Annahme und beim Versand. Heute ist dort das Wohngebiet an der Reede.
Irgendwann im Juni 1945 lief mir der Klempnermeister Wilhelm Berg über den Weg und sagte zu mir: "Bonno, ich will mich wieder selbstständig machen. Du kannst als Lehrling bei mir anfangen, machst noch ein Lehrjahr als Klempner- und Installateur, danach deine Gesellenprüfung und hast dann einen kompletten Abschluss." Meister Berg und ich hatten uns auf der Werft kennengelernt, denn er war in den Kriegsjahren dort dienstverpflichtet. Ich hatte großen Respekt vor ihm, denn er konnte die Blech Reparaturen an den Flugzeugen der Seenot-Staffel gut ausführen. Ich habe sofort zugesagt und bin schnell nach Hause gelaufen. Meine Mutter war so froh, als ich ihr das erzählte. Jetzt hatte sie eine Sorge weniger, denn mein Vater war noch in kanadischer Kriegsgefangenschaft und sie saß da mit fünf Kindern. Ich sagte noch: "Mutter, brauchst keine Angst zu haben, wir gehen nicht unter."
Eines Tages, kurz vor Feierabend, sagte Meister Berg zu mir: "Morgen gehst du zu einer Kundin in der Straße An der Schanze, da ist etwas an der Wasserleitung und am Spülkasten nicht in Ordnung. Du musst dir aber allein helfen." Das hörte der Altgeselle Paul Jürgens. Er sagte: "Oh, Bonno, da hast du aber einen schönen Teeflick." Das Wort "Teeflick" hatte ich noch nie gehört. Ich wusste wohl, dass Handwerker, wenn sie bei Norderneyern eine Reparatur ausführten, vormittags und nachmittags zu einer Tasse Tee eingeladen wurden. Diese Sitte war damals üblich. Am nächsten Morgen ging ich zu der Kundin und machte dort meine Arbeit. Um zehn Uhr rief sie mich: "Eberhardt, kommen Sie eben in die Küche, ich habe eine Tasse Tee gekocht." Jetzt muss man wissen, dass viele kleine Häuser früher zwei Küchen hatten - eine Hinterküche und eine Wohnküche. Ich kam jetzt in die Wohnküche und sie sagte zu mir: "Setzen Sie sich mal auf das Sofa." Die Sofas waren früher hochbeiniger als heute. Vor mir stand auf dem Tisch ein voller Teller mit Käse- und Leberwurstbrötchen. Das hat der Altgeselle Jürgens wohl gemeint, mit einem "schönen Teeflick".
Gerhard Lengerhuis (165) war in der Spielschar des Heimatvereins tätig. Bereits sein Vater ("Kuper", 133) besaß musikalisches Talent. Lengerhuis war auch als Sportlehrer auf dem Fliegerhorst tätig. Nach der Sportübung sagte er immer: "Denkt daran: Beim Heben einer schweren Last die Füße zusammenstellen und dann aus der Hocke heraus heben. Nie breitbeinig heben, sonst bekommt ihr einen Bruch."
Heinrich Müller (rechts, 163) steht mit seiner Klasse neu eingeschulter Kinder vor der Volksschule. Bei den Kindern handelt es sich fast ausschließlich um Flüchtlingskinder. Norderney hat um 1947 knapp 2.000 Flüchtlinge aufgenommen. An den selbst hergestellten Hausschuhen des Mädchens vorn in der Mitte kann man die Not der Zeit gut erkennen. Heinrich Müller war ein Lehrer alter Schule und wurde von seinen Schülern geachtet. Die Volksschule platzte damals aus allen Nähten und durch die Initiative des Bürgermeisters Carsen Lührs und Rektor Bandlow wurde die Mittelschule an der Mühle (heute Kooperative Gesamtschule) gegründet.
Georg Eberhardt (164), Vater von Bonno Eberhardt, hat dem ersten deutschen Tennissportler des Jahres 1937, Gottfried von Gramm, auf Norderney Unterricht im Tennisspielen gegeben.
Schuppen-Werkstätte der selbstständigen Handwerkermeister waren auf Norderney Gang und Gäbe. Es war nicht üblich, für die Werkstätten der Firmen viel Geld in die Hand zu nehmen. Lediglich große Bauunternehmen und Tischler hatten für ihre Bearbeitungsmaschinen größere Anbauten an ihren Privathäusern.
Die Kapitulation Deutschlands im Zweiten Weltkrieg wurde erst am 13. Mai 1945 von dem zwischenzeitlich noch zum Fregattenkapitän beförderten Inselkommandanten Dr. Duve (Mitte) mit den Engländern gegenüber vollzogen. Zuvor wurden den Offizieren der Inselkommandantur sämtliche Dienstgrade abgenommen. Damit waren die Mitglieder entnazifiziert. Die Verdienstorden durften sie behalten. Erst im Juli 1945 wurden die meisten Offiziere der Marineflak in Kriegsgefangenschaft gebracht.
Klempnermeister Wilhelm Berg hatte seine Werkstatt in der Jann-Berghaus-Straße 50. Auch seine Werkstatt bestand aus einem kleinen Anbau.
Bebel (161)
Suntke Uphoff, Jann-Berghaus-Straße 51, war Bauarbeiter und um 1919 Mitglied der damaligen SPD auf Norderney. Uphoff hat in der Notzeit vielen Witwen bei der Beschaffung von Formularen geholfen, damit sie bei der Gemeinde ihre Ansprüche geltend machen konnten. August Bebel, der Mitgründer der SPD, hat sich für die Arbeiterschaft starkgemacht. So auch Suntke Uphoff auf Norderney.So bekam er von den Einwohnern den Beinamen.
Witwentröster (162)
Johann ( Jonny) de Vries, Luciusstraße 10a, war Tischler und bei seinem Bruder, dem Bauunternehmer Heinrich de Vries, beschäftigt. Jonny de Vries war lange Jahre Junggeselle und hat sehr spät geheiratet. Er hatte somit auch einige Lebensgefährtinnen. Wegen seiner Lebensweise bekam er den Beinamen.
Tube Deckweiß (163)
Heinrich Müller, Gartenstraße 52, war Lehrer an der Volksschule. Im Malunterricht war sein Schlagwort: "Hiermuss noch etwas Deckweiß drauf."
Graf Zierstock (164)
Georg Eberhardt, Benekestraße 6, war gelernter Kaufmann und hatte in seinen jungen Jahren seine Prüfung als Tennislehrer abgelegt. In der Sommersaison lehrte er zunächst in den 20er-Jahren den Badegästen das Tennisspielen. Viele dieser Gäste kamen aus dem Adelsstand und benutzten beim Spazierengehen einen Zierstock. Da Eberhardt auch nach den Tennisstunden in diesen Kreisen verkehrte, hatte er sich einen solchen Stock zugelegt. Er gehörte damals mit zur Garderobe eines Mannes. Für die Norderneyer war so etwas ungewöhnlich und deshalb bekam Eberhardt den Beinamen.
Bullerballer (165)
Gerhard Lengerhuis, Siedlung 14, war Tischlermeister und hatte die Tischler-Werkstatt von seinem Vater in der Frisiastraße 3 übernommen. Lengerhuis war ein kräftiger Mann und konnte mitunter, wenn es nicht nach seiner Mütze ging, sehr aufbrausend sein. Deshalb bekam er den Beinamen "Bullerballer".
Dr. Stuut (166)
Dr. med. Otto Weisbrodt, Am Weststrand 3, war auf Norderney praktizierender Arzt. Weisbrodt war bei den Norderneyern sehr beliebt und so bekam er einen Beinamen - das plattdeutsche Stuut (Stuten oder Weißbrot).